Positionsmeldung

Nora

Willkommen

Positionsmeldung erzählt von Reisen. Manche führen aufs Meer, manche nur ein paar Schritte vor die Haustür, manche ereignen sich auf Papier, auf Bühne und Leinwand oder virtuell.

Ich freue mich über Begleitung.

 
  • Gedanken im Kattegat

    57° 33' 0'' N, 11° 55' 24'' E

     

    IMG 2771Sobald sich ein Sonnenstrahl im nordischen Sommer zeigt, findet das Leben draußen statt. Da reichen die Tische der kleinen Bar am Pier in Kullavik kaum aus, da fahren die Boote zu den Schären und Ankerbuchten, da sonnt sich Mensch und Tier auf Felsen, Stegen und Schiffen. Und nach diesem herrlichen Sonnentag, nach einem, zugegeben kurzen, Bad am Steg und einem, sehr viel längeren, Grillabend fahren wir am Morgen hinaus aufs Kattegat zur Insel Läsö, weil der Wind gerade gut steht. Aus der richtigen Richtung und in moderater Stärke für einen längeren Törn.

    Das tut er auch, die Richtung stimmt, doch statt das Leichtwindsegel herauszuziehen, binden wir doch lieber ein Reff in Groß und Vorsegel. Recht ruppig ist es auf den ersten fünfzehn Meilen, aber dafür schnell, was auch ein Vorteil ist, denn so werden wir zum Kaffee im Hafen sein und wahrscheinlich auf einen Platz finden. No Problem, laut Auskunft des Hafenmeisters. Und genau auf der Hälfte der dreißig Meilen wird es ruhiger, segeln wir mit vollen Segeln dem Hafen entgegen. Mein Blick kann vom Windmesser in die Weite schweifen — um uns herum nur das Meer, und am Horizont ein paar weiße Segel, winzig klein. Für die Segler dort sind wir auch nur ein kleines weißes Segel auf der weiten See. Winzig in Relation zu Wasser und Wellen, winzig in Relation zu Welt.

  • Hoffen und harren oder Schären im Sturm

    57° 53' 36'' N, 11° 41' 6'' E

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    Wenn das Wetter gut zum Herbst oder einem verregneten Frühjahr passen könnte, einschließlich und vor allem bezüglich der Temperaturen, dann ist man in ich, ob Västra Götaland, kurz vor dem Übergang vom Kattegatt ins Skagerak. So zumindest in diesem Julisommer. In der ersten Woche gönnen wir es der dürstenden Natur, in der zweiten hoffen wir noch auf ein baldiges Ende, nach drei Wochen sinkt die Laune und als es in der vierten so weitergeht, ergeben wir uns dem Schicksal.

    Wir hangeln uns von Insel zu Insel mit Wind, ohne Wind, mit Regen, aber auch mit Sonne, mit stets wechselnden Wolkenformationen. Denn das können sie wirklich gut hier in Schweden: Wolken vom hellsten Weiß bis zum dunkelsten Grau, fast Schwarz. Und Regen vom feinsten Niesel über ein stetes Tropfen bis zum Sturzbach. Und gleich danach das hellste, klarste Blau.

  • Wetterwechsel oder nach dem Regen ist vor dem Sturm

    57° 40,6' N, 11° 51,0' E

     

    IMG 2707Nach vier Wochen sonnensattem Badewetter verdüstert sich der nordische Himmel, zunächst nur kurz, um dann umso heller in leuchtendem Blau zu strahlen, doch dann kündigt der Wetterbericht Starkwind im Kattegat an. Zuerst ist da die Hoffnung: Noch ist Zeit für Veränderung, in einer Woche kann viel passieren, wie oft hat sich nicht schon alles geändert. So warten wir auf den richtigen Wind in Varberg, einer schwedischen Kleinstadt mit alter Festung, einem Kaltbadhus auf Stelzen im Meer, vielen langen Stränden mit Steinklippen, auf denen die Menschen vor und nach dem Baden in der Sonne sitzen, und einer Bar hoch über der Stadt. 

    Auch hier war das erste halbe Jahr viel zu trocken, Regen wäre willkommen, wenn er nicht gerade mit dem offiziellen Sommerbeginn zusammenfallen würde. Wir genießen das Baden von den langen Seebrücken, wer weiß wie lange noch, und die hübschen neuen Sanitäranlagen, da freuen sich die Seglerinnenherzen.

    Doch der Wetterbericht stabilisiert sich wider Erwarten auf den schlechten Vorhersagen, viele Schiffe ziehen nach Süden, doch wir nutzen die nächste Gelegenheit, um nach Norden zu segeln. In Göteborgs Königlichen Segelsällskap wollen wir Wind und Regen abwettern. Ein schöner Südwind bringt uns dorthin, Stunde um Stunde, mit Wellen und glatter See, mit Nebel und Sonne und Wolken, die ganze Seglerwelt an einem Tag.

  • In der Ruhe liegt die Kraft

    56° 42,9' N, 11° 30,6' E

     

    IMG 2692Jeden Morgen der Blick in den Himmel und in den Wetterbericht, manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Beides hat eher durchschnittliche Vorhersagequalitäten — es sind eher Tendenzen mit nicht wenig Wahrscheinlichkeit, dass alles doch ganz anders kommt, wie zum Beispiel der nicht angesagte Regen am Abend beim Einlaufen in den Hafen von Grenaa. Hinzu kommen die vier unterschiedlichen Beurteilungen der Lage durch vier SeglerInnen. 

    Als nächstes soll es hinaus aufs Kattegat zur Insel Anholt, am besten natürlich unter Segeln. Dafür sieht es morgen schlecht aus, da sind sich die fünf Wetterberichte einig, und die Aussicht auf eine Fahrt unter Motor löst am Tisch keine Begeisterung aus. Leider sind die Vorhersagen für die folgenden Tage nicht ganz so eindeutig, von schönem Segelwind über mehrere Stunden Regen bis zu Starkwind am Nachmittag ist alles dabei. In der Beurteilung gehen unsere Meinungen noch mehr auseinander. Nach reichlichem, lebhaften Abwägen verschieben wir die Entscheidung auf den nächsten Morgen; die Vorhersagen ändern sich noch schneller als das Wetter. 

    Am Morgen schauen wir zum ersten Mal in diesem Urlaub in einem Himmel mit unzähligen Grauschattierungen, nach der drückenden Hitze der letzten Tage ist das nicht schlecht, doch die Wetterberichte sind sich weiterhin uneinig, was die nächsten Tage betrifft, und irgendwann zwischen Kaffe und Waschhausbesuch fällt die Entscheidung, sofort auszulaufen. Die Insel lockt, das graue Grenaa erscheint nicht attraktiv und „Vielleicht ist ja draußen doch etwas Wind“, meint mein Kapitän. Also Leinen los.

  • Segeln ist Wandel

    55°47,8´N, 10° 31,8´E

     

    Täglich, stündlich wandelt sich das Meer, das Wetter, die Laune, die körperliche Verfasstheit.IMG 2659

    Wandel ist die Grundlage einer Segelreise, keine Ahnung, ob es für jeden der Hauptgrund ist, viele reden ja von der Freiheit auf dem Meer, von den sportlichen Herausforderungen – für mich ist es der Wandel, die stete Konfrontation mit der Ohnmacht und der Überwindung derselben durch das Tun oder der Nichtüberwindung, dem Ausgeliefertsein, der Ohnmacht gegen Wetter, Wellen und den engen Häfen der Welt. Ein ganz passendes Bild für unser Dasein. Soweit die Theorie und nun zur Praxis:

    Nach drei Tagen in Nyborg (netter Hafen, schönes Städtchen auf Fünen, da ist nichts dagegen zu sagen), weil es draußen zu heftig weht für Mannschaft und Schiff, legen wir ab. Der Wind ist schwach, was aber nicht so schlimm ist, denn er kommt sowieso von vorn. Das erste Abenteuer ist die Durchfahrt unter der Beltbrücke. 18 Meter soll die Höhe sein, unser Schiff kommt mit Mast auf etwas über 16 Meter. Das müsste passen. Das Schiff der Freunde hat knapp unter 18 Meter. Sie fahren zur höheren Durchfahrt, was die Strecke um sieben Meilen verlängert. Da das angepeilte Ziel auf Samsö ca. 25 Meilen entfernt ist, wären das noch mal anderthalb Stunden mehr. Wir nehmen Kurs auf Nummer 1.

  • Here we go again

    54° 26,0' N, 13° 01,44' E

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    And here we go again …

    Das ist unser 25. Sommer auf See, auf dem Wasser, und es ist immer noch aufregend, immer noch wunderschön, still und weit, so bekannt und immer wieder neu.

    Das Schiff ist mit uns alt geworden oder besser älter geworden, genau wie wir war es nicht mehr ganz jung bei unserem Kennenlernen, schon in der Mitte des Lebens mit den ersten Zipperlein. Wir hatten einige Sommer schon mit anderen Booten verbracht, bevor wir uns in dieses Abenteuer wagten. Lange Geschichte, die hier nicht erzählt wird.

    Die wilden Jahre sind nun vorbei. Ganz plötzlich sind wir auch eines dieser älteren Paare mit silbrigen, gar weißem Schopf, die mit ihren mehr oder weniger gut gepflegten Schiff die Meere, in unseren Fall das Baltische und Umgebung bereisen. Wir lassen Stürme und Starkwind im Hafen vorüberziehen (im Grunde braucht so etwas niemand), die Etmale werden kürzer (wer will schon Meilen schrubben) und die Hafentage länger.

    Wir legen also ab für einen weiteren Skandinavien Sommer, alle Handgriffe so vertraut, auch das Motorbrummen, denn der Wind weht wie stets von vorn. Doch die Sonne scheint, womit nicht immer zu rechnen ist. Also per Motor durch die Brücke und zum ersten Ankerplatz hinter Barhöft, nur ein kurzes Stück vor der offenen See, auf die es morgen hinausgeht. 

    Am hellen Sommerhimmel leuchten die Ankerlichter der Schiffe.

  • Segelsommer 7 — Nachsaison

    55°  33,5’ N,14° 21,5’ E

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    „Willkommen in Bergkvara”, sagt der nette Hamnkaptain, als er mir die Festmacherleine zurückgibt. Warum sind wir bloß all die Jahre an diesem netten kleinen Hafen vorbeigefahren? Meist versuchen wir möglichst schnell durch den Kalmarsund zu kommen, aber heute waren zwanzig Meilen bei viel Wind genug, und so landen wir in einem der ältesten Häfen an der Küste von Blekinge. Statt Fischerbooten legen nun Freiheitskipper an der Halbinsel Dalskär an. Gasthafen und Campingplatz sind ein Familienbetrieb, beim Bezahlen bekommen wir ein Faltblatt, auf dem neben Informationen auch die Fotos von allen, die hier an der Kasse oder im Restaurant arbeiten, abgedruckt sind. Für die wenigen Schiffe und die nur etwas größere Gruppe Camper reicht im Augenblick eine kleine Besatzung.

    „Seit gestern haben wir Nachsaisonpreise”, sagt der junge Mann, der kassiert und uns Fahrräder ausleiht. Von Bergkvara gibt es vier verschiedene, gut ausgeschilderte Fahrrad- und Wandertouren. Wir fahren an Feldern vorbei, an kleinen Dörfern, an Feriensiedlungen zum Naturschutzgebiet Örarevet — im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel zum Picknicken und Baden — heute sind wir allein am leeren Strand. 

  • Segelsommer 6 — Umkehr

    57° 45,8’ N, 16° 39,0’ E

    website blog 266Wir sollten uns genügend Zeit für den Rückweg lassen, meint mein Kapitän. Und als hätten die Wettergötter es gehört, bläst es von dem Moment an stets und noch dazu heftig aus Süd bis Südwest. Hafentag reiht sich an Hafentag, Dafür lernen wir die Nachbarn gut kennen — gemeinsam helfen wir anderen Schiffen beim Anlegen, vertäuen auch die eigenen Boote noch einmal sicher vor dem kommenden Starkwind und rücken am Abend den gebunkerten Vorräten zu Leibe.

    Wellen und Wind tosen um Idö und wir spinnen Seemannsgarn. Bald sind die Ferien in Schweden zu Ende; es ist richtig Platz in den Häfen. Ein paar dänische Schiffe sind noch unterwegs und viele deutsche, die man auch ohne Nationalflagge am Heck sofort daran erkennen würde, dass beim Anlegen an Bug und Heck Leinen bereit liegen und jede Menge Fender an den Seiten hängen. Andere Nationen sind da offensichtlich entspannter, wohingegen Schweden und Dänen stets Schwimmwesten tragen, was wiederum Deutsche eher nachlässig handhaben.

    Beim Anlegen helfen alle. Weil jeder weiß, wie hilfreich es ist, wenn jemand an Land eine Leine entgegennimmt, weil das Schiff dann nicht mehr in Fahrt und damit schlecht zu manövrieren ist, weil sich die Schwierigkeiten mit steigendem Wind um ein Vielfaches verstärken.

  • Segelsommer 5 — Skärgardsliv

    57 °51,6’ N, 16° 44,0 E

    website blog 265Im Wind der Duft nach Wald, nach trockenen Kiefernnadeln. Wir sind mitten Im Tjust Schärengarten zwischen Västervik und Loftahammar. im Sommer fahren die Boote von Insel zu Insel, trifft man sich am Steg, in Ferienhäusern und Gaststuben — Familien, Freunde und Bekannte aus dem Segelverein. Die Kinder springen ins Wasser, alt und jung angelt und am Abend wird gemeinsam gegrillt, allerdings nicht in diesem Jahr, die Brandgefahr ist zu groß.

    Heute bleiben wir in Ragö. Die Insel gehört zu einem Naturschutzgebiet und darf von April bis Juli nicht betreten werden. Mit dem eigenen Boot kann man kostenlos an zwei Gaststegen oder einer der Buchten festmachen — aber höchsten 48 Stunden —, dann auf zwei verschiedenen Wegen die Insel erkunden und in dem von einer Familie betriebenen Gasthaus oder im Garten davor Fisch essen oder im kleinen Museum erkunden, wie vor hundert Jahren Fische gefangen wurden.

  • Segelsommer 4 — Frieden

    57° 33,23’ N, 16° 44,14 E

    website blog 262Die Nacht soll ruhig werden, beste Voraussetzung für ein Ankern in den Schären und nach drei Tagen Aufenthalt im Hafen von Figeholm — einem zugegeben sehr schönen Hafen — mit Warten auf den richtigen Wind, ist ein ruhiger Ankerplatze an einer Schäre genau das Richtige. Noch dazu liegen zwischen Figeholm und Västervik einige wunderschöne Schärenplätze. Das wissen wir aus vergangenen Jahren. Und beliebt sind die Plätze auch. Am frühen Nachmittag sollte man spätestens nach einem Platz für die Nacht suchen.

    Es ist immer wieder aufregend durch die engen Schärenfahrwasser zu fahren, und es nimmt mir den Atem, weil wir so nah am Stein vorbeigleiten, weil der Fels in so vielen Farben schimmert, weil die Büsche sich im Wind wiegen. Auf dem einzigen freien Stück Wasser tauchen dunklen Wolken hinter uns auf. Es donnert und der Donner begleitet uns hinein in ein nächstes Fahrwasser. Ein paar Tropfen Regen fallen, dann wird der Himmel wieder strahlend blau.

  • Segelsommer 3 - Freud und Leid

    57° 22,2’ N, 16° 33,3’ E

    website blog 259„Genau das richtige Wetter für den Gennaker ”, sagt mein Kapitän, als wir unter der Brücke bei Kalmar hindurchfahren. Leichter Wind von schräg hinten. Da kämen wir mit der Normalbesegelung kaum voran. Also wird der Gennaker ausgepackt, ein dünnes, aber großes Segel, das zum Setzen in einem Schlauch verpackt ist. Ist das Segel oben, wird der Schlauch mit einer Hilfsleine hochgezogen und das Segel bläht sich. Es knistert, als hielte man Papiertüten in den Wind. Nun geht es schnell über den Kalmarsund.

    „Klappt ja prima”, sage ich. Unter einem makellos blauen Himmel ziehen wir den anderen Schiffen davon. Das schöne Wetter bleibt, so lautet die Vorhersage, die auch eine Hitzewarnung beinhaltet. 30 Grad ist ungewöhnlich für Schweden, beschert uns Wassersportlern fast karibische Verhältnisse. Das ist schön, einerseits, doch die Zeitungen berichten von brennenden Wäldern und Landwirten am Rande des Ruins. In ein paar Tagen sollen die erwarteten Gewitter endlich kommen, noch liegt vor uns nur die tiefblaue See.

    Und wie immer, wenn es gerade so gut läuft, schleicht sich Unachtsamkeit ein. Dabei weiß ich genau, dass bei Manövern immer Handschuhe und Schuhe getragen werden sollten, ganz egal wie wenig Wind weht. Aber ich soll ja nur steuern, während mein Kapitän den Gennaker auf die andere Seite zieht.

  • Segelsommer 2 — Gute Gründe

    55° 18.88' N, 14° 69,94' E

    website blog 258Will man von Rügen aus mit dem Segelschiff nach Schweden, kann man die Südküste ansteuern, so der richtige Wind herrscht — stark genug, um mindestens 6 Knoten zu fahren (der Weg ist weit) und wenn möglich aus südlicher oder westlicher Richtung.

    Nach fünf Tagen in Sassnitz wollen wir nicht länger warten. Nordwest auf West drehend, 4-5 Windstärken, See 1 Meter sagt der Wetterbericht um sechs Uhr morgens. Das könnte klappen. Um sieben stechen wir in See, zunächst Richtung Bornholm. Wenn der Wind nach West dreht, laufen wir Schweden an.

    Die ersten drei Stunden sind Segelvergnügen, 7,5 Knoten auf der Logge (7,5 Meilen in der Stunde), wir gleiten über die blaugraue See mit kleinen Schaumkrönchen. Solche Stunden sind ein Grund, weshalb es uns jedes Jahr aufs Meer zieht. Die Kreideküste bleibt hinter uns zurück, nur da und dort noch ein anderes Segel, das sich immer weiter entfernt.

  • Segelsommer 1 — Start und Stopp

    54°19’ 06’’N, 13°05’51’’E

    website blog 257Leinen los für sieben Wochen Segeln auf der Ostsee, Ankern in den Schären, Stille auf dem Schiff. Der Proviant ist verstaut, die Weinflaschen lagern bruchsicher unter Zeitungspapier in verschiedenen Schapps. Wasser- und Dieseltank sind gefüllt, eine zweite Gasflasche ist an Bord, Tauchzeug, Werkzeug, das wir hoffentlich nie brauchen werden, und mehrere Meter Bücher, für die wir nun viel Zeit haben. Wir verlassen den Heimathafen, der Wind steht gut.

    „Irgendwas stimmt nicht mit dem Motor”, sagt mein Kapitän, als wir die letzte Tonne hinter uns lassen und in den Strelasund steuern. Ein Satz, der die Freude doch etwas dämpft; Irgendwas kann alles Mögliche bedeuten, in der Regel einen längeren Aufenthalt zur Fehlersuche und Reparatur. Damit haben wir Erfahrung. Doch dieses Mal wird der Fehler schnell gefunden und gerichtet. Wäre ja auch jammerschade bei dem schönen Wind wieder zurück zu fahren. Schon sind wir im Greifswalder Bodden und segeln Richtung offenes Meer. Es läuft gut mit dem neuen Vorsegel (das zweite innerhalb von zwei Jahren, und das ist wieder eine andere Geschichte).

  • Begegnungen in Schweden

    57° 22’ 16’’ N, 16° 33’ 12’’ E

     

     

    website blog 233Auf dem Meer begegnen sich Schiffe in gehörigem Abstand, Freizeitkapitäne grüßen sich, nationenübergreifend. Im Hafen liegen Schiffe Seite an Seite, begegnen sich die Menschen. Der erste Kontakt geschieht häufig beim Anlegen. Es ist immer einfacher, wenn eine Hand an Land die Leine entgegennimmt, und das herausfordernde an-Land-springen, Bug-abhalten und gleichzeitig Leine-durch-kleine-Öse-ziehen entfällt. Und inzwischen scheint helfen selbstverständlich geworden zu sein, ebenfalls nationenübergreifend.


    So haben wir auch Jewgeni und Viktoria kennengelernt, beim Leinen annehmen an einem Tag mit viel Wind. Beide stammen aus der Ukraine, leben nun in Schweden, sind sich auch dort erst begegnet. Jewgeni als Aussteiger im Boot, Viktoria, die gerne ein eigenes Hotel eröffnen. Wir stellen ein Verlängerungskabel zur Verfügung für dir Kaffeezubereitung an Bord, Jewgeni gibt uns Tipps für schöne Übernachtungsplätze und am nächsten Morgen fahren wir gemeinsam hinaus und machen Fotos.


    Reinhard und Walburga sind auf dem Weg zum Götakanal, nutzen den ersten Sommer in Rente für die lange Strecke. In Hanö liegen wir im Päckchen, genießen mitgebrachte Schnäpse. Das Paar im nächsten Hafen hat die Reise in umgekehrter Richtung gerade hinter sich. Seit Mai sind sie unterwegs, haben den Sommer in den Schären verbracht.

  • An der Schäre

    57° 51’ 59’’ N, 16° 41’ 49’’ E

     

     

    website blog 229Und dann sind wir endlich dort, sind am Ziel unserer Segelreise, sind in den Schären. Um uns herum kleinere und größere Felsen — mal kahl, mal mit Baum oder Strauch bewachsen — umspült vom Meer. Rote und grüne Stangen zeigen den Weg, zwischendurch ein Blick auf Plotter und Karte, die Wassertiefen anzeigen, die im vorigen Jahrhundert vermessen wurden und sich seitdem nicht geändert haben.


    Wie oft sind wir schon zwischen Figeholm, Västervik und Loftahammar gesegelt — zuerst mit einem Trailerboot, das die Fähre nach Schweden gebracht hat, dann mit einem etwas größeren Boot auf dem Weg zum Götakanal, und dann mit einem noch größeren auf dem Weg von Finnland nach Hause. Immer wollten wir irgendwann einmal mit mehr Zeit diese Gegend erkunden, und immer noch gibt es neue Inseln und Buchten zu entdecken, immer noch ist es aufregend und immer noch ist es einfach großartig mitten in einer Bucht vor Anker zu liegen, nur umgeben von Wasser und Fels und Bäumen, oder am Fels anzulegen und die Insel zu entdecken. Allein sind wir natürlich nicht, selbst in einem kühlen August nicht, aber doch irgendwie außerhalb des Festgefügten. Als würden wir mit dem Wohnwagen einfach stehenbleiben, wo es uns gefällt, nur ist der Wagen ein Boot und wir müssen nach Wind und Wetter Ausschau halten, wenn wir einen Platz für die Nacht wählen.

  • Segelfreuden

    56° 38’ 60’’ N,16° 27’ 44’’ E

     

    website blog 227

    Es ist an der Zeit, sich auch einmal den Freuden des Segelns zu widmen. Denn wie soll ich es sonst erklären, was und warum es mich jeden Sommer aufs Meer zieht, auf das Boot, das uns so viele Abenteuer beschert hat, aber eben auch Tage wie diesen:

    Am Morgen legen wir ab, fahren ganz unspektakulär die ersten Meilen unter Motor, denn unser Ziel ist weit gesteckt und es weht nur wenig. Vorbei an Hanö, der Insel unserer letzten zwei Nächte, geht es hinaus Richtung Kalmarsund. Ein Segel ziehen wir dennoch hoch. Man kann ja nie wissen, wann der versprochene Wind denn kommt, und außerdem liegt das Boot dann auch ruhiger, denn Wellen gibt es schon. Das Boot schwankt.

    Abwarten und frühstücken. Logge beobachten. Vier Knoten Wind reichen noch nicht zum Segeln, aber frisch wird es. Nach einer Stunde der nächste Versuch … Wir segeln. Raumshots. Die Segel weit gebläht. Um uns herum nur das Meer, erst grau, dann dunkelblau gekräuselt, am Horizont ein einsames Segel. Kein Land, nirgends. Minuten, Stunden vergehen, rauschen vorbei mit dem Wasser; Gedanken ziehen mit den Wolken.

  • Im Lotsenhafen Idö

    57° 42' 18'' N, 16° 46' 6'' E

     

     

     

    website blog 170Es gibt keine Lotsenboote mehr im Hafen von Idö, und niemand muss mehr im Zollhaus ein- und ausklarieren. In den Zeiten von GPS und Plotter haben selbst Leuchttürme nur noch nostalgischen Wert. Im Lotsenausguck liegen noch die Handbücher, im umgebauten Zollhaus wird gediegene schwedische Küche serviert inklusive des Sonnenuntergangs über dem Tjust Schärengarten. Nach Norden eröffnet sich die Schärenwelt, in Richtung Süden verabschieden wir uns hier von ihr.

  • Robinson in Ostjütland

    58° 5' 3'' N, 16° 49' 52'' E

    Unsere Insel misst zwölf mal vier Meter und schwimmt mal vor dieser, mal vor jener Schäre. Das mit dem Ankern geht inzwischen eins, zwei, fix. Platz suchen, aufstoppen und Kette runter. Dann liegt der sechzehn Kilo Anker auf dem Grund plus fünfzig Kilo Kette, und wir sind gerüstet für eine ruhige Nacht. Die Sache mit dem an Land springen und ein Seil um den nächsten Baum binden überlassen wir den Schweden, beobachten fasziniert die forschen Manöver.

    website blog 167So hangeln wir uns von Bucht zu Bucht, von Griskär nach Läng, von Fliskär nach Lindholmen, bleiben ein oder zwei Nächte und ziehen weiter. Am schönsten sind die äußeren Schären, hinter denen das offene Meer liegt, von denen der Blick ins Weite geht. Manche Buchten sind groß, bieten Platz für viele Boote, an anderen können gerade zwei Boote anlegen. Einige sind mycket populär, wie unser Schärenführer es nennt, wenige sind abgeschieden. Die Dörfer der Fischer und Robbenfänger, der Lotsen und Fährleute sind Feriensiedlungen geworden.

  • Point of Return — Fjärdläng

    59° 3' 12'' N, 18° 31' 42'' E

    website blog 164

    Am Ziel im Norden, auf Fjärdläng, etwa auf der Höhe von Stockholm, aber mehrere Meilen weiter östlich, eine Insel im Meer. In zwei Tagen, wenn der Wind auf Nord dreht, geht es langsam zurück.

    website blog 162Grün sind die Schären Stockholms mit dichtem Unterholz, Moos und Blaubeerteppichen, zerklüftet durch Buchten, durch tiefe Kerben oder runde Ausschnitte, wie bei angebissenen Keksen. Im Sommer zieht es Segler und Motorboote in die natürlichen Häfen, selten liegt man dort allein, und wenn doch, ist es eher ein Grund zur Unruhe. Dann überprüft der Kapitän den Seewetterbericht und bringt noch mehr Leinen aus. In der Regel liegen die Boote in knuddligen Päckchen an den Schären und noch einige vor Anker. Dabei gilt: Je weiter weg vom Festland, je ungeschützter vor den Winden, desto einsamer wird es, je größer die Insel, je mehr Angebote, desto enger ist es.

  • Sörmland — im Hafen

    58° 52' 20'' N, 17° 33' 13'' E

     

     

    website blog 160Wenn die Vorräte zur Neige gehen, wenn frisches Obst und Gemüse fehlen, wenn die Milch für den Morgenkaffee rationiert werden muss, Haut und Haar nach warmem Wasser lechzen, Kleidung und Boot einen klebrigen Zustand annehmen, dann ist es Zeit für einen Hafen, für die nächste Stadt an der dünn besiedelten Küste Sörmlands. In den zwei skandinavischen Sommermonaten steigt die Einwohnerzahl allerdings um ein Vielfaches, und an manchen Stellen wähnt man sich fast am Sonntagnachmittag auf dem Wannsee, so dicht ziehen die weißen Segel und schnellen Motorboote vorbei. Je näher Stockholm kommt, desto mehr Ferienhäuschen und -häuser sitzen auf den Felsen, desto mehr Boote liegen in den Buchten, desto voller werden die Häfen.

  • Wachsen in Västervik

    57° 45' 27'' N, 16° 39' 5'' E

     

     

    website blog 155Es donnert in der Ferne, es regnet in der Sonne, das Außenthermometer zeigt 25 Grad, aber wohl nur, weil der Fühler direkt beschienen wird. Wir schaukeln am Steg und warten auf den Kran.

    Resilienz beschreibt in der Werkstoffphysik eine Eigenschaft von Stoffen, die nach Momenten extremer Spannung wieder in den Ausgangszustand zurückkehren. Die Psychologie verwendet den Begriff, um die seelische Widerstandsfähigkeit in Krisen zu beschreiben. Gemeinhin gilt Resilienz als wünschenswert, der Grundstock wird in der Kindheit gelegt, Gelegenheiten zur Stärkung bieten sich ein Leben lang.

    Wenn einem das normale Leben nicht ausreicht, kann man sich ein gebrauchtes Boot anschaffen, um die eigene Resilienz zu testen und immer weiter auszubauen, denn beim Fahrtensegeln gelten zwei Gesetze:
    1. Was kaputt gehen kann, das geht auch kaputt.
    2. Wenn etwas kaputt geht, dann auf jeden Fall am Freitagnachmittag.

    Endlich hatte der Wind gedreht, endlich waren wir im ersten Schärengarten angekommen, lagen außen auf einer ehemaligen Lotseninsel und genossen erst die Sonne und dann das Fußballspiel. Vor der Weiterfahrt am nächsten Morgen ist ein Tauchgang nötig. Nur zur Sicherheit, das Steuer ruckelte so eigenartig. Die Neuigkeiten, die der Kapitän aus der kalten Ostsee mitbringt, sind alles andere als gut: Das Ruder hat sich geteilt, hängt nur noch lose zusammen. das Boot muss aus dem Wasser. Wo ist die nächste Werft, wo ist der nächste Kran?

    website blog 156Das ist nicht schwer herauszufinden, und die nächsten Tage in Västervik bieten uns viele Möglichkeiten unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken (frei nach den sieben Resilienzfaktoren).

    1. positive Einstellung: ein Kran wird kommen, ein Monteur wird Zeit haben
    2. vorbereitet sein: siehe oben, was kaputt gehen kann …
    3. Akzeptanz der Realität: mindestens eine Woche Urlaub auf der Werft
    4. lösungsorientiert denken: Reparaturdauer, alternative Urlaubsplanung
    5. sich nicht als Opfer fühlen: schwierig, denn gemein ist das schon, aber Lachen hilft
    6. keine Schuldzuweisung: dabei hätte es genügend Kandidaten gegeben
    7. Nutzen von sozialen Netzwerken: okay, zumindest wisst ihr nun Bescheid

    und wir wachsen weiter einige Meter über dem Wasser, haben den Überblick und ein doppeltes Ruderblatt.

  • Midsommar auf Öland

    56° 39' 0'' N, 16° 28' 0'' E

     

    website blog 150

    Wattewolken am Himmel, Frauen in weißen Kleidern, Mädchen mit Blumenkränzen im Haar. Schlag drei Uhr nachmittags sind die Straßen wie ausgestorben, die meisten Läden machen gar nicht erst auf, und selbst der Wind hat sich gelegt. Im ordentlichen Schweden fällt der Midsommarafton immer auf einen Freitag (irgendwann zwischen dem 19. und dem 24. Juni). Dann werden am Vormittag Blumen gesammelt oder gekauft, dann sitzt man ab Nachmittag zusammen und genießt den längsten Tag, im Norden wird es gar nicht dunkel und im Süden höchstens zwei Stunden.

  • Das Licht in Sandhamn

    56° 5' 38'' N, 15° 51' 25'' E

     

     

    website blog 147Rote Häuschen und weiß getünchte LKW-Reifen an der Kaimauer — Hanö, die wilde Ferieninsel, der im Sommer stets volle Hafen, der willkommene Halt beim Sprung zur Ostküste.

    Das erste Mal waren wir hier im ersten Jahrhundertsommer, irgendwann in der 2000er Reihe, zum ersten Mal hatten wir ein Boot, mit dem wir über die Ostsee fahren konnten, zum ersten Mal erlebten wir die Ruhe der langen Überfahrten und die Hektik im stets vollen Hafen von Hanö, wenn zwischen sechs und sieben die Boote einliefen, einen Platz zum Festmachen suchten, und sich das Knäuel endlich zu Zweier- und Dreierpäckchen ordnete.

  • Sydkusten in Sonne und Regen

    55° 33' 34'' N, 14° 21' 19'' E

     

     

    website blog 144Saftig grün ist die flache Küste Südschwedens, dunkle Wolken werfen Schatten, noch aber scheint die Sonne und bläst der richtige Wind die Wolken fort und uns ans Ziel. Einer der schönen Segeltage — eins mit Wellen, Wind und Wasser. Dunkelblau bis zum Horizont.

    Den Hafen in Ystad kennen wir nur rappelvoll mit Dreierpäckchen an der Kaimauer. In der Vorsaison klaffen viele Lücken an den nagelneuen Stegen, und mit Hilfe eines belgischen Seglers klappt das Anlegen mühelos. Ebenso mühelos kommt ein Gespräch zustande über die Vorteile von dänischen Werftbauten (sein Schiff) gegenüber belgischen Booten (unsere Volver). Im Hafenamt erwartet uns kein Automat wie in vielen dänischen Häfen, sondern eine Hafenmeisterin wie meistens in Schweden, und auf der Terrasse des Hafenlokals mit Blick auf den Strand ist unser Glück in der Sonne vollkommen.

  • Hafenmanöver — Rügen/Bornholm

    55° 11' 15'' N, 14° 42' 12'' E

     

     

    Grillengezirpe, Schafsmäh, Gräserrascheln, Schwalbenzwitschern. Und überall hübsche restgedeckte Häuschen.

    website blog 143Ein ruhiger Zipfel, wo sich Rügen ausgefranst in den Greifswalder Bodden streckt. Die Zicker Berge, grüne Hügel mit Hainen, Fischerhäfen, eine alte Bootswerft. Nach der Wende hat der Tourismus das Mönchgut entdeckt. Vor ein paar Jahren bekamen wir hier den östlichsten Fisch der Umgebung, frisch geräuchert. Frischen Fisch gibt es immer noch, doch die friedliche Koexistenz von Ferienhaussiedlung und Sportboothafen ist schon wieder Vergangenheit. Zwischen Hafenmole und Häuserwiese verläuft ein Zaun, Segler müssen sich im Container waschen und im Restaurant gibt es das, was es überall sonst auch gibt.

  • Positionsmeldung

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