56° 39' 0'' N, 16° 28' 0'' E
Wattewolken am Himmel, Frauen in weißen Kleidern, Mädchen mit Blumenkränzen im Haar. Schlag drei Uhr nachmittags sind die Straßen wie ausgestorben, die meisten Läden machen gar nicht erst auf, und selbst der Wind hat sich gelegt. Im ordentlichen Schweden fällt der Midsommarafton immer auf einen Freitag (irgendwann zwischen dem 19. und dem 24. Juni). Dann werden am Vormittag Blumen gesammelt oder gekauft, dann sitzt man ab Nachmittag zusammen und genießt den längsten Tag, im Norden wird es gar nicht dunkel und im Süden höchstens zwei Stunden.
Selbst über die Brücke am Kalmarsund fahren nur noch wenige Fahrzeuge und die Fähre liegt fest am Kai. Gegenüber der Brücke haben wir in Färjestaden Schutz vor dem schlechten Wetter gesucht und gefunden und nicht nur das: Alles ist liebevoll gestaltet, sogar die Waschräume, in denen in jeder Nische kleine Stilleben mit Booten, Figürchen und Leuchttürmen aufgebaut sind. Hinter dem kleinen Fährstädtchen verläuft die Grenze zwischen dem Welterbe der Kulturlandschaften im Süden Ödlands und den Ferienhochburgen im Norden — mit 700 Sonnenstunden im Jahr ist die Insel einer der sonnigste Plätze Schwedens, auch wenn wir das nicht sofort mitbekommen. Dem Klima ist es auch zu verdanken, dass das Land noch so genutzt wird wie im 19. Jahrhundert, dass Dörfer, Ackerflächen, Küstenwiesen und karstige Alvaren noch in demselben Verhältnis vorhanden sind.
Wir kaufen die leckeren Erdbeeren und üben das Nichtstun wie die Schweden vor den Sommerhäusern, auf Booten und in Gaststätten. Aus dem Hotel am Hafen tönen ABBAs Greatest Hits, und die Sonne steht weiterhin hoch am Himmel. Am Kai wird gegrillt, und in der Seasalt Kitchen stellt ein Musiker Boxen auf. Zum Essen und mehr noch zum Trinken gibt es mit Gitarren- und Keyboardbegleitung schwedische Hits, englische „Klassiker” von Imagine bis Summer of 69 und sogar einen Titel von Rammstein, und auf jeden Fall wird mitgesungen — die Schweden, eine Gruppe Franzosen und wir. In der Pause stellen wir fest, dass der Sänger einige Zeit in Berlin gelebt hat, und eine CD mit seinen eigenen Liedern nehmen wir als Geschenk mit.