Jeden Morgen der Blick in den Himmel und in den Wetterbericht, manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Beides hat eher durchschnittliche Vorhersagequalitäten — es sind eher Tendenzen mit nicht wenig Wahrscheinlichkeit, dass alles doch ganz anders kommt, wie zum Beispiel der nicht angesagte Regen am Abend beim Einlaufen in den Hafen von Grenaa. Hinzu kommen die vier unterschiedlichen Beurteilungen der Lage durch vier SeglerInnen.
Als nächstes soll es hinaus aufs Kattegat zur Insel Anholt, am besten natürlich unter Segeln. Dafür sieht es morgen schlecht aus, da sind sich die fünf Wetterberichte einig, und die Aussicht auf eine Fahrt unter Motor löst am Tisch keine Begeisterung aus. Leider sind die Vorhersagen für die folgenden Tage nicht ganz so eindeutig, von schönem Segelwind über mehrere Stunden Regen bis zu Starkwind am Nachmittag ist alles dabei. In der Beurteilung gehen unsere Meinungen noch mehr auseinander. Nach reichlichem, lebhaften Abwägen verschieben wir die Entscheidung auf den nächsten Morgen; die Vorhersagen ändern sich noch schneller als das Wetter.
Am Morgen schauen wir zum ersten Mal in diesem Urlaub in einem Himmel mit unzähligen Grauschattierungen, nach der drückenden Hitze der letzten Tage ist das nicht schlecht, doch die Wetterberichte sind sich weiterhin uneinig, was die nächsten Tage betrifft, und irgendwann zwischen Kaffe und Waschhausbesuch fällt die Entscheidung, sofort auszulaufen. Die Insel lockt, das graue Grenaa erscheint nicht attraktiv und „Vielleicht ist ja draußen doch etwas Wind“, meint mein Kapitän. Also Leinen los.
Wir motoren, alle Schiffe, die wir sehen, fahren auch unter Motor, kein einziges Segel in Sicht. „Ganz früh war noch Wind, die anderen Nachbarn sind um fünf los“, sagt mein Kapitän. Das haben wir nicht getan, das wollten wir nicht, und nun herrscht Flaute. Wir motoren, machen uns Brote, frühstücken in aller Ruhe auf den sechs Stunden Überfahrt. Das Meer wogt bleigrau, am Himmel hängt eine dicke blaugraue Wolkendecke, die Welt ringsum hat einen hellgrauen Schleier. Mölig heißt das in den Wetterberichten.
Nach Stunden tauchen Schemen von uns auf, die ersten Säulen des Windparks, hindurch segeln dürften wir nicht, doch wir motoren unten den sich nicht oder nur äußerst träge drehenden Flügel. Eine ganze Stunde kommen wir uns sehr klein und sehr allein vor, denn die anderen Schiffe fahren lieber außen herum ums Feld. Das Brummen unseres Motors ist das einzige Geräusch. Hinter dem Feld wogt es stärker, doch vom Wind keine Spur. Nun reißen die Schleier auf und Anholt kommt in Sicht.Die Schiffe hinter uns werden schneller.
Doch es besteht kein Grund zur Eile, denn der Hafen ist zu unser aller Überraschung ziemlich leer, offensichtlich noch in Vorsaison so kurz vor Mittsommer. Vielleicht ein, zwei Dutzend dänische Schiffe, ähnlich viele deutsche, etwa fünf Schweden und ein Norweger. Am Pier laufen die Vorbereitungen, Sitzgelegenheiten und Überdachungen werden gezimmert. Der Kobmand hat weiterhin alles, schließt aber um halb fünf und die kleine Eismanufaktur öffnet erst am Samstag. Aber die weiten Strände mit dem feinen Sand sind da und die bewaldeten Hügel und das Meer in alle Richtungen.
Am Abend strahlt die Sonne lange vom Himmel, ist das Wasser glasklar und erstaunlich warm beim Schwimmen. Wir bleiben ein paar Tage.