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Gedanken im Kattegat
57° 33' 0'' N, 11° 55' 24'' E
Sobald sich ein Sonnenstrahl im nordischen Sommer zeigt, findet das Leben draußen statt. Da reichen die Tische der kleinen Bar am Pier in Kullavik kaum aus, da fahren die Boote zu den Schären und Ankerbuchten, da sonnt sich Mensch und Tier auf Felsen, Stegen und Schiffen. Und nach diesem herrlichen Sonnentag, nach einem, zugegeben kurzen, Bad am Steg und einem, sehr viel längeren, Grillabend fahren wir am Morgen hinaus aufs Kattegat zur Insel Läsö, weil der Wind gerade gut steht. Aus der richtigen Richtung und in moderater Stärke für einen längeren Törn.
Das tut er auch, die Richtung stimmt, doch statt das Leichtwindsegel herauszuziehen, binden wir doch lieber ein Reff in Groß und Vorsegel. Recht ruppig ist es auf den ersten fünfzehn Meilen, aber dafür schnell, was auch ein Vorteil ist, denn so werden wir zum Kaffee im Hafen sein und wahrscheinlich auf einen Platz finden. No Problem, laut Auskunft des Hafenmeisters. Und genau auf der Hälfte der dreißig Meilen wird es ruhiger, segeln wir mit vollen Segeln dem Hafen entgegen. Mein Blick kann vom Windmesser in die Weite schweifen — um uns herum nur das Meer, und am Horizont ein paar weiße Segel, winzig klein. Für die Segler dort sind wir auch nur ein kleines weißes Segel auf der weiten See. Winzig in Relation zu Wasser und Wellen, winzig in Relation zu Welt.
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In der Ruhe liegt die Kraft
56° 42,9' N, 11° 30,6' E
Jeden Morgen der Blick in den Himmel und in den Wetterbericht, manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Beides hat eher durchschnittliche Vorhersagequalitäten — es sind eher Tendenzen mit nicht wenig Wahrscheinlichkeit, dass alles doch ganz anders kommt, wie zum Beispiel der nicht angesagte Regen am Abend beim Einlaufen in den Hafen von Grenaa. Hinzu kommen die vier unterschiedlichen Beurteilungen der Lage durch vier SeglerInnen.
Als nächstes soll es hinaus aufs Kattegat zur Insel Anholt, am besten natürlich unter Segeln. Dafür sieht es morgen schlecht aus, da sind sich die fünf Wetterberichte einig, und die Aussicht auf eine Fahrt unter Motor löst am Tisch keine Begeisterung aus. Leider sind die Vorhersagen für die folgenden Tage nicht ganz so eindeutig, von schönem Segelwind über mehrere Stunden Regen bis zu Starkwind am Nachmittag ist alles dabei. In der Beurteilung gehen unsere Meinungen noch mehr auseinander. Nach reichlichem, lebhaften Abwägen verschieben wir die Entscheidung auf den nächsten Morgen; die Vorhersagen ändern sich noch schneller als das Wetter.
Am Morgen schauen wir zum ersten Mal in diesem Urlaub in einem Himmel mit unzähligen Grauschattierungen, nach der drückenden Hitze der letzten Tage ist das nicht schlecht, doch die Wetterberichte sind sich weiterhin uneinig, was die nächsten Tage betrifft, und irgendwann zwischen Kaffe und Waschhausbesuch fällt die Entscheidung, sofort auszulaufen. Die Insel lockt, das graue Grenaa erscheint nicht attraktiv und „Vielleicht ist ja draußen doch etwas Wind“, meint mein Kapitän. Also Leinen los.
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Segeln ist Wandel
55°47,8´N, 10° 31,8´E
Täglich, stündlich wandelt sich das Meer, das Wetter, die Laune, die körperliche Verfasstheit.
Wandel ist die Grundlage einer Segelreise, keine Ahnung, ob es für jeden der Hauptgrund ist, viele reden ja von der Freiheit auf dem Meer, von den sportlichen Herausforderungen – für mich ist es der Wandel, die stete Konfrontation mit der Ohnmacht und der Überwindung derselben durch das Tun oder der Nichtüberwindung, dem Ausgeliefertsein, der Ohnmacht gegen Wetter, Wellen und den engen Häfen der Welt. Ein ganz passendes Bild für unser Dasein. Soweit die Theorie und nun zur Praxis:
Nach drei Tagen in Nyborg (netter Hafen, schönes Städtchen auf Fünen, da ist nichts dagegen zu sagen), weil es draußen zu heftig weht für Mannschaft und Schiff, legen wir ab. Der Wind ist schwach, was aber nicht so schlimm ist, denn er kommt sowieso von vorn. Das erste Abenteuer ist die Durchfahrt unter der Beltbrücke. 18 Meter soll die Höhe sein, unser Schiff kommt mit Mast auf etwas über 16 Meter. Das müsste passen. Das Schiff der Freunde hat knapp unter 18 Meter. Sie fahren zur höheren Durchfahrt, was die Strecke um sieben Meilen verlängert. Da das angepeilte Ziel auf Samsö ca. 25 Meilen entfernt ist, wären das noch mal anderthalb Stunden mehr. Wir nehmen Kurs auf Nummer 1.
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Segelsommer 2 — Gute Gründe
55° 18.88' N, 14° 69,94' E
Will man von Rügen aus mit dem Segelschiff nach Schweden, kann man die Südküste ansteuern, so der richtige Wind herrscht — stark genug, um mindestens 6 Knoten zu fahren (der Weg ist weit) und wenn möglich aus südlicher oder westlicher Richtung.
Nach fünf Tagen in Sassnitz wollen wir nicht länger warten. Nordwest auf West drehend, 4-5 Windstärken, See 1 Meter sagt der Wetterbericht um sechs Uhr morgens. Das könnte klappen. Um sieben stechen wir in See, zunächst Richtung Bornholm. Wenn der Wind nach West dreht, laufen wir Schweden an.
Die ersten drei Stunden sind Segelvergnügen, 7,5 Knoten auf der Logge (7,5 Meilen in der Stunde), wir gleiten über die blaugraue See mit kleinen Schaumkrönchen. Solche Stunden sind ein Grund, weshalb es uns jedes Jahr aufs Meer zieht. Die Kreideküste bleibt hinter uns zurück, nur da und dort noch ein anderes Segel, das sich immer weiter entfernt.