Positionsmeldung

Nora

Willkommen

Positionsmeldung erzählt von Reisen. Manche führen aufs Meer, manche nur ein paar Schritte vor die Haustür, manche ereignen sich auf Papier, auf Bühne und Leinwand oder virtuell.

Ich freue mich über Begleitung.

 
  • Grande Nigeria

    53° 31.58’ N, 10° 0.65’ E

    website blog 275

    Wir sind zu spät. Um 10 Uhr sollten wir am Kai sein, aber es ist schon halb elf. Dabei war alles so gut geplant, musste es ja auch für die lange Reise auf dem Frachter nach Südamerika. Alles ist gepackt und gut verstaut im Wohnmobil, aber dann hängt es an den Gasflaschen. Die sind noch voll, zu voll, und es dauert ewig, sie zu entleeren, unter den ungläubigen Blicken der anderen Camper im Hamburger Wohnmobilhafen, die ja nicht wissen können, dass wir unser Wohnmobil heute verladen wollen, wozu die Gasflaschen leer sein müssen.

    Wir sind also zu spät und stehen dazu noch im Stau und hoffen, dass das Navi schon den Weg findet zum O’swaldkai durch die neue Hamburger Hafencity. Mit rasendem Puls biegen wir endlich ein auf den großen Parkplatz, suchen hektisch nach dem Schuppen 48, folgen einem Schild und werden von einer Schranke aufgehalten. Sofort senkt sich auch hinter uns eine Schranke. Wir sind gefangen. Zur Belustigung der Belegschaft. Immer diese Touristen. Wir müssen wieder raus, uns anmelden, warten, doch dann geht alles seinen ordentlichen Gang: Gemeinsam mit einem anderen deutschen Paar in einem Wohnmobil folgen wir um kurz nach elf einem Fahrzeug zur Grande Nigeria, auf der wir die nächsten vier Wochen verbringen werden. Eine steile Rampe führt ins Innere des riesigen Schiffs, und dann geht es ans Einparken. Zentimeterarbeit, bis das Fahrzeug genau an der richtigen Stelle zwischen den Verzurrösen steht. Weder die Gasflaschen noch der Tank noch überhaupt irgendetwas am Camper ist kontrolliert worden.

  • Segelsommer 7 — Nachsaison

    55°  33,5’ N,14° 21,5’ E

    website blog 272

    „Willkommen in Bergkvara”, sagt der nette Hamnkaptain, als er mir die Festmacherleine zurückgibt. Warum sind wir bloß all die Jahre an diesem netten kleinen Hafen vorbeigefahren? Meist versuchen wir möglichst schnell durch den Kalmarsund zu kommen, aber heute waren zwanzig Meilen bei viel Wind genug, und so landen wir in einem der ältesten Häfen an der Küste von Blekinge. Statt Fischerbooten legen nun Freiheitskipper an der Halbinsel Dalskär an. Gasthafen und Campingplatz sind ein Familienbetrieb, beim Bezahlen bekommen wir ein Faltblatt, auf dem neben Informationen auch die Fotos von allen, die hier an der Kasse oder im Restaurant arbeiten, abgedruckt sind. Für die wenigen Schiffe und die nur etwas größere Gruppe Camper reicht im Augenblick eine kleine Besatzung.

    „Seit gestern haben wir Nachsaisonpreise”, sagt der junge Mann, der kassiert und uns Fahrräder ausleiht. Von Bergkvara gibt es vier verschiedene, gut ausgeschilderte Fahrrad- und Wandertouren. Wir fahren an Feldern vorbei, an kleinen Dörfern, an Feriensiedlungen zum Naturschutzgebiet Örarevet — im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel zum Picknicken und Baden — heute sind wir allein am leeren Strand. 

  • Segelsommer 6 — Umkehr

    57° 45,8’ N, 16° 39,0’ E

    website blog 266Wir sollten uns genügend Zeit für den Rückweg lassen, meint mein Kapitän. Und als hätten die Wettergötter es gehört, bläst es von dem Moment an stets und noch dazu heftig aus Süd bis Südwest. Hafentag reiht sich an Hafentag, Dafür lernen wir die Nachbarn gut kennen — gemeinsam helfen wir anderen Schiffen beim Anlegen, vertäuen auch die eigenen Boote noch einmal sicher vor dem kommenden Starkwind und rücken am Abend den gebunkerten Vorräten zu Leibe.

    Wellen und Wind tosen um Idö und wir spinnen Seemannsgarn. Bald sind die Ferien in Schweden zu Ende; es ist richtig Platz in den Häfen. Ein paar dänische Schiffe sind noch unterwegs und viele deutsche, die man auch ohne Nationalflagge am Heck sofort daran erkennen würde, dass beim Anlegen an Bug und Heck Leinen bereit liegen und jede Menge Fender an den Seiten hängen. Andere Nationen sind da offensichtlich entspannter, wohingegen Schweden und Dänen stets Schwimmwesten tragen, was wiederum Deutsche eher nachlässig handhaben.

    Beim Anlegen helfen alle. Weil jeder weiß, wie hilfreich es ist, wenn jemand an Land eine Leine entgegennimmt, weil das Schiff dann nicht mehr in Fahrt und damit schlecht zu manövrieren ist, weil sich die Schwierigkeiten mit steigendem Wind um ein Vielfaches verstärken.

  • Segelsommer 5 — Skärgardsliv

    57 °51,6’ N, 16° 44,0 E

    website blog 265Im Wind der Duft nach Wald, nach trockenen Kiefernnadeln. Wir sind mitten Im Tjust Schärengarten zwischen Västervik und Loftahammar. im Sommer fahren die Boote von Insel zu Insel, trifft man sich am Steg, in Ferienhäusern und Gaststuben — Familien, Freunde und Bekannte aus dem Segelverein. Die Kinder springen ins Wasser, alt und jung angelt und am Abend wird gemeinsam gegrillt, allerdings nicht in diesem Jahr, die Brandgefahr ist zu groß.

    Heute bleiben wir in Ragö. Die Insel gehört zu einem Naturschutzgebiet und darf von April bis Juli nicht betreten werden. Mit dem eigenen Boot kann man kostenlos an zwei Gaststegen oder einer der Buchten festmachen — aber höchsten 48 Stunden —, dann auf zwei verschiedenen Wegen die Insel erkunden und in dem von einer Familie betriebenen Gasthaus oder im Garten davor Fisch essen oder im kleinen Museum erkunden, wie vor hundert Jahren Fische gefangen wurden.

  • Segelsommer 4 — Frieden

    57° 33,23’ N, 16° 44,14 E

    website blog 262Die Nacht soll ruhig werden, beste Voraussetzung für ein Ankern in den Schären und nach drei Tagen Aufenthalt im Hafen von Figeholm — einem zugegeben sehr schönen Hafen — mit Warten auf den richtigen Wind, ist ein ruhiger Ankerplatze an einer Schäre genau das Richtige. Noch dazu liegen zwischen Figeholm und Västervik einige wunderschöne Schärenplätze. Das wissen wir aus vergangenen Jahren. Und beliebt sind die Plätze auch. Am frühen Nachmittag sollte man spätestens nach einem Platz für die Nacht suchen.

    Es ist immer wieder aufregend durch die engen Schärenfahrwasser zu fahren, und es nimmt mir den Atem, weil wir so nah am Stein vorbeigleiten, weil der Fels in so vielen Farben schimmert, weil die Büsche sich im Wind wiegen. Auf dem einzigen freien Stück Wasser tauchen dunklen Wolken hinter uns auf. Es donnert und der Donner begleitet uns hinein in ein nächstes Fahrwasser. Ein paar Tropfen Regen fallen, dann wird der Himmel wieder strahlend blau.

  • Segelsommer 3 - Freud und Leid

    57° 22,2’ N, 16° 33,3’ E

    website blog 259„Genau das richtige Wetter für den Gennaker ”, sagt mein Kapitän, als wir unter der Brücke bei Kalmar hindurchfahren. Leichter Wind von schräg hinten. Da kämen wir mit der Normalbesegelung kaum voran. Also wird der Gennaker ausgepackt, ein dünnes, aber großes Segel, das zum Setzen in einem Schlauch verpackt ist. Ist das Segel oben, wird der Schlauch mit einer Hilfsleine hochgezogen und das Segel bläht sich. Es knistert, als hielte man Papiertüten in den Wind. Nun geht es schnell über den Kalmarsund.

    „Klappt ja prima”, sage ich. Unter einem makellos blauen Himmel ziehen wir den anderen Schiffen davon. Das schöne Wetter bleibt, so lautet die Vorhersage, die auch eine Hitzewarnung beinhaltet. 30 Grad ist ungewöhnlich für Schweden, beschert uns Wassersportlern fast karibische Verhältnisse. Das ist schön, einerseits, doch die Zeitungen berichten von brennenden Wäldern und Landwirten am Rande des Ruins. In ein paar Tagen sollen die erwarteten Gewitter endlich kommen, noch liegt vor uns nur die tiefblaue See.

    Und wie immer, wenn es gerade so gut läuft, schleicht sich Unachtsamkeit ein. Dabei weiß ich genau, dass bei Manövern immer Handschuhe und Schuhe getragen werden sollten, ganz egal wie wenig Wind weht. Aber ich soll ja nur steuern, während mein Kapitän den Gennaker auf die andere Seite zieht.

  • Segelsommer 2 — Gute Gründe

    55° 18.88' N, 14° 69,94' E

    website blog 258Will man von Rügen aus mit dem Segelschiff nach Schweden, kann man die Südküste ansteuern, so der richtige Wind herrscht — stark genug, um mindestens 6 Knoten zu fahren (der Weg ist weit) und wenn möglich aus südlicher oder westlicher Richtung.

    Nach fünf Tagen in Sassnitz wollen wir nicht länger warten. Nordwest auf West drehend, 4-5 Windstärken, See 1 Meter sagt der Wetterbericht um sechs Uhr morgens. Das könnte klappen. Um sieben stechen wir in See, zunächst Richtung Bornholm. Wenn der Wind nach West dreht, laufen wir Schweden an.

    Die ersten drei Stunden sind Segelvergnügen, 7,5 Knoten auf der Logge (7,5 Meilen in der Stunde), wir gleiten über die blaugraue See mit kleinen Schaumkrönchen. Solche Stunden sind ein Grund, weshalb es uns jedes Jahr aufs Meer zieht. Die Kreideküste bleibt hinter uns zurück, nur da und dort noch ein anderes Segel, das sich immer weiter entfernt.

  • Segelsommer 1 — Start und Stopp

    54°19’ 06’’N, 13°05’51’’E

    website blog 257Leinen los für sieben Wochen Segeln auf der Ostsee, Ankern in den Schären, Stille auf dem Schiff. Der Proviant ist verstaut, die Weinflaschen lagern bruchsicher unter Zeitungspapier in verschiedenen Schapps. Wasser- und Dieseltank sind gefüllt, eine zweite Gasflasche ist an Bord, Tauchzeug, Werkzeug, das wir hoffentlich nie brauchen werden, und mehrere Meter Bücher, für die wir nun viel Zeit haben. Wir verlassen den Heimathafen, der Wind steht gut.

    „Irgendwas stimmt nicht mit dem Motor”, sagt mein Kapitän, als wir die letzte Tonne hinter uns lassen und in den Strelasund steuern. Ein Satz, der die Freude doch etwas dämpft; Irgendwas kann alles Mögliche bedeuten, in der Regel einen längeren Aufenthalt zur Fehlersuche und Reparatur. Damit haben wir Erfahrung. Doch dieses Mal wird der Fehler schnell gefunden und gerichtet. Wäre ja auch jammerschade bei dem schönen Wind wieder zurück zu fahren. Schon sind wir im Greifswalder Bodden und segeln Richtung offenes Meer. Es läuft gut mit dem neuen Vorsegel (das zweite innerhalb von zwei Jahren, und das ist wieder eine andere Geschichte).

  • Hiiumaa — Haapsalu —Stockholm

    von 58° 59’ 51’’ N, 22° 45’ 14’’ E nach 59° 19’ 55’’ N, 18° 5’ 17’’ E

     

     

    website blog 255Hiiumaa ist die zweitgrößte Insel Estlands und liegt für uns zwischen zwei Fähren. Eine Stunde dauert die Überfahrt von Saaremaa und sogar noch etwas länger ist die Fahrt wieder zurück zum Festland. In der Zeit zwischen den Fahrten lernen wir die Insel kennen. Hier ist es weniger wild, wenn man von der stechenden Fauna einmal absieht. Kaum hat der furchtlose Mann den Wagen auf der Wiese am Strand geparkt, stürzt sich eine dunkle Wolke auf das weiße Gefährt, was den Charme des weitläufigen und hübsch angelegten Campingplatzes doch sehr mindert. Aber es gibt ja Häfen.

    Dorthin treibt uns auch die Sehnsucht. In Kärdla stehen wir in der neuen Marina. Das Hafenrestaurant betreibt eine junge Crew, die Gastronomie Estlands scheint in den Händen junger Leute zu liegen, die innovativ und köstlich kochen.

    Auf dem Festland wird gefeiert, im August begeht Haapsalu das Fest der weißen Dame; an den Ständen gibt es süßes und Eingelegtes, Getöpfertes und Gedrehtes, und fein gestrickte Spitzen in Pastellfarben. Vor der Burg spielt Musik und es wird getanzt, sogar mit einer Kurzeinführung in Boogie, auf estnisch, und dann legen alle los. Wir müssen leider schon weiter, nach Tallinn zur Fähre nach Stockholm.

  • Wildes Saaremaa

    58° 29’ 58’’ N, 21° 54’ 53’’ E

     

    website blog 252Das Ziel unserer baltischen Reise rückt näher. Auf einem netten Campingplatz zu übernachten ist schön, nah an einem See oder dem Meer ist es noch schöner, aber am schönsten ist es ganz allein mitten in der Natur — „wild” auf Saaremaa, der größten Insel Estlands.

    Natürlich gibt es dort inzwischen auch Hotelanlagen mit Spa-Bereichen, gute Restaurants (wir essen im Kurhaus, das auch wirklich so heißt) und Geschäfte, in denen man vor allem auf Saaremaa hergestellte Waren erwerben kann, Bio-Seifen und -Cremes, Wollkleidung, Bier — ja, die Insel hat auch eine kleine Brauerei — und alles, was an Konfitüren und Gelees, Saucen und Senf, sowie anderen Köstlichkeiten herzustellen ist. Das ist der Süden der Insel mit der Hauptstadt Kuressaare an der Rigaer Bucht.

    Der Norden ist wild geblieben. Vogelschutzgebiete und Kliffs säumen die Küste am offenen Meer. Der Wald weicht zurück, die Straße wird zur Sandpiste und am Rand tauchen die kleinen Holzpfeile des RNK auf, mit denen Stellen bezeichnet werden, wo man picknicken und auch übernachten kann. Es gibt Bänke und Tische, meist sogar überdacht, einen Holzofen und Holz, Mülleimer und Trockenklo. und vor allem gibt es Platz. Der furchtlose Mann fährt in den kleinen Weg, über Wurzeln hinweg und unter Kiefernästen hindurch, bis wir auf Kieseln direkt am Wasser in einer der vielen Buchten stehen. Idyllisch bis zum nächsten Mittag, denn mit der warmen Sonne kommt auch allerlei stechendes Getier.

  • Meeresrauschen in Tuja

    57° 29’ 26’’ N, 24° 22’ 23’’ E

      

    website blog 250

    Das Meer rauscht, aber noch mehr rauscht der Wind. rüttelt am Wagen, dass Wände und Bett wackeln, bläst in die Bäume, dass die Blätter knistern wie feiner Regen. 

    Das Meer in der Riggter Bucht begrüßt uns stürmisch, Wolken jagen vorbei, Wetterfronten ziehen auf, Wellen türmen sich. Der furchtlose Mann lässt sich davon nicht abschrecken — einmal am Tag muss er ins kühle Nass, und es sind nur ein paar Schritte hinunter zum Strand.

    Ein junges Team betreut den Campingplatz, Zelte haben Priorität und mit ihnen die jungen lettischen Familien, die Regen und Sturm ebenfalls nicht schrecken. Für Kinder ist es fantastisch, ein weites Feld zum rennen und fahrradfahren, ein Spielplatz und das Meer zum in den Wellen hüpfen, danach ein Eis in der Bar. Dort gibt es neben Latte macchiato und Burgern auch kalte Rote-Beete-Suppe und warme Blutwurst mit Preiselbeergelee und Sauerrahm.

    Wir lassen uns durchpusten und machen lange Spaziergänge am Strand.

  • Mühlenglück

    56° 17’ 43’’ N, 25° 58’ 46’’ E

    website blog 248Von der kleinen Fähre führt eine Sandpiste nach Zasa. Rechts und links Felder im Nirgendwo. Der Ort ist klein, aber aufgeräumt. Doch wo ist die Mühle? Am See. Wir finden ein Internat, eine Schule und dann doch die Mühle mit dem kleinen blauen Campingschild, das in einen liebevoll angelegten Garten vor dem ruhigen See führt, in dem sich Bäume und Wolken spiegeln.

    Wieder werden wir auf Deutsch empfangen. Der Besitzer Hardy ist gerade da mit seinem Neffen. Wir sind die einzigen Campinggäste, dürfen uns vor die Terrasse zwischen den Weiden an den See stellen und werden auch gleich am Abend zum Grillen eingeladen. In der Mühle sind Fechter aus Thüringen untergekommen, denn im kleinen Zasa ist ein Jugendfechtertreffen.

    Zu Thüringer Bratwürsten, lettischem Bier und Wodka wird erzählt: Zuletzt gemahlen in der Mühle wurde Ende der 1980er Jahre. 2005 hat Hardy das verfallene Gebäude gekauft und Stück für Stück renoviert. Das Dach gedeckt, Fenster und Türen eingesetzt, Stahlträger abgeschmirgelt, Mauerwerk ersetzt … 

  • An den Ufern der Daugava

    55° 53' 31'' N, 27° 8' 7'' E

     

     

    website blog 244Vom einsamen Nationalpark im Osten Litauens zum menschenleeren Gebiet an der weißrussischen Grenze im Osten Lettlands, wo sich die Daugava durch Birken- und Kiefernwälder schlängelt. Dorthin schickt uns das Navi in der Nähe von Kraslava zu einem Stellplatz auf privatem Gelände, direkt am Fluss. Die erste Straße dorthin ist gesperrt. An der zweiten steht ein Schild, das uns zu einer Straße in zwei Kilometern schickt. Die nehmen wir und landen auf einer Sandpiste, die an Feldern vorbei um viele Kurven immer tiefer in den Wald führt.    

    „Meinst du, da kommt noch was?”, fragt die zaghafte Frau. Hinter der nächsten Biegung stehen tatsächlich Holzhäuser; Hunde bellen und ein Schild weist die Wiese hinter dem Zaun als Campingplatz aus. Der junge Mann, der uns empfängt ist Berliner und organisiert Touren auf dem Fluss, im Wald und über Land. Latvia Outdoor. Gäste können mit eigenem Zelt oder Camper kommen, sie können in den Baumhäusern oder der Gästewohnung schlafen. Es gibt eine Küche, Bad und Duschen. Und es gibt einen Teich, an dem man sitzen und über die Daugava schauen kann. Baden ist auch möglich, ein wenig flussabwärts, wo die Strömung etwas nachlässt, taucht der furchtlose Mann ins Wasser. Die zaghafte Frau bleibt lieber am Ufer als schwitzendes Futter für Bremsen und Mücken. 100 % Natur.

  • Wälder, Seen und Pfifferlinge

    55° 19' 38'' N, 26° 5' 42'' E

     

     

    website blog 247In Kaunas wird geheiratet. Die ganze Stadt ist ein einziges Hochzeitsfest. Bräute in weiß, kurz oder lang, mit und ohne Schleier, mit Blütenkränzen im Haar. Hochzeitsgesellschaften, die mit Bussen anreisen. Brautjungfern in violett, in kornblumenblau. Fotografen, die mit den Brautpaaren die besten Plätze suchen — am Fluss, auf einer Brücke, vor einer der vielen Kirchen.

     In Kaunas müssen wir uns entscheiden: zum Strand an die kurische Nehrung oder zum kleinen Aukstaitija-Nationalpark ganz im Nordosten? Die Küste kennen wir und wenn man schon mal hier ist und mobil unterwegs. Also ins Seengebiet inmitten von Wäldern, einsam und wunderschön, nur eigenartig, dass in allen drei Campingführern nur ein einziger Stellplatz für Wohnmobile angegeben ist. 

    Felder, durch die der Wind streicht. Wälder, an deren Straßen Pfifferlinge und Blaubeeren feilgeboten werden. Der furchtlose Mann ist entzückt und gleich darauf enttäuscht, weil die zaghafte Frau zu wenig einkauft. Kilometer und Stunden ziehen sich unter Schweigen im Wagen, bis am Ende eines Dorfes auf einem kleinen Tisch wieder Pfifferlinge und sogar ein Topf Honig stehen.

  • Polnisches Paradies

    53° 56' 34,5'' N, 21° 19' 12,8'' E

    website blog 242

     Überall Störche, zu zweit, zu dritt, zu viert drängen sie sich auf den hohen Nestern, staksen durch feuchte Wiesen und Felder, die weit über das Land gehen.

    Das Paradies liegt in den Masuren, an einem der vielen Seen, in Ruska Wiesn, wo das Gras in Terrassen zum Wasser strebt. Auf den Terrassen stehen Zelte, Wohnwagen, Campmobile. Es gibt viel Platz und viel Ruhe und den Blick über den See in Sonne und Regen.

    „90% der Gäste sind Deutsche, seit 40 Jahren”, sagt der Herr über Wiese und See auf der Fahrt ins nächstgelegene Städtchen Mragowo, zum Spezialisten. Meinen furchtlosen Gefährten plagt der Rücken und unser freundlicher Gastgeber übernimmt den Fahrdienst. „Dieses Jahr fehlen die Gäste. Das Wetter, die Politik. Was soll man machen?” Er baut einen Tennisplatz, aber gerade ruht die Arbeit. Es schüttet und wir drehen eine Runde durch die Stadt, bevor es zum Arzt geht. „Vier Kinder. Was soll man machen?” Der große Sohn führt ein Restaurant.

  • Begegnungen in Schweden

    57° 22’ 16’’ N, 16° 33’ 12’’ E

     

     

    website blog 233Auf dem Meer begegnen sich Schiffe in gehörigem Abstand, Freizeitkapitäne grüßen sich, nationenübergreifend. Im Hafen liegen Schiffe Seite an Seite, begegnen sich die Menschen. Der erste Kontakt geschieht häufig beim Anlegen. Es ist immer einfacher, wenn eine Hand an Land die Leine entgegennimmt, und das herausfordernde an-Land-springen, Bug-abhalten und gleichzeitig Leine-durch-kleine-Öse-ziehen entfällt. Und inzwischen scheint helfen selbstverständlich geworden zu sein, ebenfalls nationenübergreifend.


    So haben wir auch Jewgeni und Viktoria kennengelernt, beim Leinen annehmen an einem Tag mit viel Wind. Beide stammen aus der Ukraine, leben nun in Schweden, sind sich auch dort erst begegnet. Jewgeni als Aussteiger im Boot, Viktoria, die gerne ein eigenes Hotel eröffnen. Wir stellen ein Verlängerungskabel zur Verfügung für dir Kaffeezubereitung an Bord, Jewgeni gibt uns Tipps für schöne Übernachtungsplätze und am nächsten Morgen fahren wir gemeinsam hinaus und machen Fotos.


    Reinhard und Walburga sind auf dem Weg zum Götakanal, nutzen den ersten Sommer in Rente für die lange Strecke. In Hanö liegen wir im Päckchen, genießen mitgebrachte Schnäpse. Das Paar im nächsten Hafen hat die Reise in umgekehrter Richtung gerade hinter sich. Seit Mai sind sie unterwegs, haben den Sommer in den Schären verbracht.

  • An der Schäre

    57° 51’ 59’’ N, 16° 41’ 49’’ E

     

     

    website blog 229Und dann sind wir endlich dort, sind am Ziel unserer Segelreise, sind in den Schären. Um uns herum kleinere und größere Felsen — mal kahl, mal mit Baum oder Strauch bewachsen — umspült vom Meer. Rote und grüne Stangen zeigen den Weg, zwischendurch ein Blick auf Plotter und Karte, die Wassertiefen anzeigen, die im vorigen Jahrhundert vermessen wurden und sich seitdem nicht geändert haben.


    Wie oft sind wir schon zwischen Figeholm, Västervik und Loftahammar gesegelt — zuerst mit einem Trailerboot, das die Fähre nach Schweden gebracht hat, dann mit einem etwas größeren Boot auf dem Weg zum Götakanal, und dann mit einem noch größeren auf dem Weg von Finnland nach Hause. Immer wollten wir irgendwann einmal mit mehr Zeit diese Gegend erkunden, und immer noch gibt es neue Inseln und Buchten zu entdecken, immer noch ist es aufregend und immer noch ist es einfach großartig mitten in einer Bucht vor Anker zu liegen, nur umgeben von Wasser und Fels und Bäumen, oder am Fels anzulegen und die Insel zu entdecken. Allein sind wir natürlich nicht, selbst in einem kühlen August nicht, aber doch irgendwie außerhalb des Festgefügten. Als würden wir mit dem Wohnwagen einfach stehenbleiben, wo es uns gefällt, nur ist der Wagen ein Boot und wir müssen nach Wind und Wetter Ausschau halten, wenn wir einen Platz für die Nacht wählen.

  • Segelfreuden

    56° 38’ 60’’ N,16° 27’ 44’’ E

     

    website blog 227

    Es ist an der Zeit, sich auch einmal den Freuden des Segelns zu widmen. Denn wie soll ich es sonst erklären, was und warum es mich jeden Sommer aufs Meer zieht, auf das Boot, das uns so viele Abenteuer beschert hat, aber eben auch Tage wie diesen:

    Am Morgen legen wir ab, fahren ganz unspektakulär die ersten Meilen unter Motor, denn unser Ziel ist weit gesteckt und es weht nur wenig. Vorbei an Hanö, der Insel unserer letzten zwei Nächte, geht es hinaus Richtung Kalmarsund. Ein Segel ziehen wir dennoch hoch. Man kann ja nie wissen, wann der versprochene Wind denn kommt, und außerdem liegt das Boot dann auch ruhiger, denn Wellen gibt es schon. Das Boot schwankt.

    Abwarten und frühstücken. Logge beobachten. Vier Knoten Wind reichen noch nicht zum Segeln, aber frisch wird es. Nach einer Stunde der nächste Versuch … Wir segeln. Raumshots. Die Segel weit gebläht. Um uns herum nur das Meer, erst grau, dann dunkelblau gekräuselt, am Horizont ein einsames Segel. Kein Land, nirgends. Minuten, Stunden vergehen, rauschen vorbei mit dem Wasser; Gedanken ziehen mit den Wolken.

  • Sing mit in Wien

    48° 12' 2'' N, 16° 22' 39''

     

    website blog 224

    Wien ist eine höfliche Stadt. „Seien Sie achtsam. Ein anderer könnte Ihren Platz dringender brauchen als Sie”, tönt es alle fünf Minuten aus den Lautsprechern in der Straßenbahn. Und tatsächlich stehen auch Menschen auf und bieten ihre Plätze an — häufig erkennbar Ausländer, häufig junge Leute. Die älteren Pärchen bleiben eher sitzen und regen sich über Ausländer auf. Leise, aber vernehmbar. Doch sie sind in der Minderheit in der Straßenbahn und in der Stadt der vielen Völker, der Jungen und Alten, der Touristen und Sänger in Gärten, Plätzen, Konzertsälen und Kirchen.

    website blog 225Zu Himmelfahrt sind internationale Amateurchöre zu Gast beim 30. Franz-Schubert-Chorwettbewerb und dazu über tausend Sängerinnen und Sänger aus aller Welt für das Mitsingkonzert des Berliner Rundfunkchors. Nach dem Erfolg dieser Konzerte in Berlin trifft man sich nun alle zwei Jahre auch in einer anderen europäischen Stadt. Die Karten sind schnell ausverkauft.

    Ich singe nicht, höchstens zu Weihnachten oder beim Tanzen, da schmettere ich dann schon mal „It's raining men”, in Wien bin ich nur als Sängeranhang. Der Gatte probt, ich erkunde Wien. Schönbrunn im Sonnenschein. Ein Genussmarkt im Stadtpark. Ein Biergarten. Ein Café und noch ein Café. Kellner in schwarzen Anzügen, bei deren Anblick ich sofort das Gefühl bekomme, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Doch eine Melange und eine Waldviertler Mohntorte bekomme ich trotzdem. Mit Schlag.

  • Milch und Öl (Indien2)

    10° 24' 51'' N, 76° 5' 9'' E

     

     

    website blog 202Alles klebt, Haut und Haar. sogar die Kleidung. Aber der Kopf ist plötzlich frei und die Hitze angenehm. Wir befinden uns in der Aufbauphase. Routiniert folgen wir der Routine aus Ölmassagen und Reisbeutelklopfen, genießen das Essen und wagen uns hinaus — allein und in Begleitung von Eva-Maria, einer österreichischen Yoga-Lehrerin, die zwei Monate lang im Ayurveda-Team mitarbeitet, begrüßt, übersetzt, Ausflüge begleitet und für jeden ein Ohr und ein Lächeln hat.

    Kerala ist nicht Indien, in vielerlei Hinsicht — der Bundesstaat im südwestlichsten Zipfel ist sprachlich homogener, da er 1956 entlang der Sprachgrenzen des Malayalam geschaffen wurde, er ist religiös durchmischter, nur etwas mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung sind Hindus, an ihrer Seite leben fast doppelt so viele Muslime und zehnmal mehr Christen als im Rest des Landes (neben den Tempeln gehört auch der Bible Tower in Thrissur zur Besichtigungstour). Der Bildungsstandard ist höher in Kerala, das Pro-Kopf-Einkommen ebenfalls, das allerdings zum Teil auch von gut ausgebildeten Keralesen in den Golf-Staaten erwirtschaftet wird. So sehen wir auf unsrer Fahrt nach Thrissur neu erbaute Paläste neben den Hütten der Fischer und Bauern. In Kerala selbst sind Landwirtschaft und Fischfang die wichtigsten Einnahmequellen und ein landesweiter Streik legt alles einen Tag lang lahm, weil die Regierung Fischereirechte verkaufen will. Es fahren weder Tuktuks noch Busse noch Taxen, Geschäfte sind geschlossen, Fischerboote liegen am Strand. Kerala ist auch das Land der aktiven Gewerkschaften.

  • Reinigung (Indien 1)

    10° 24' 51'' N, 76° 5' 9'' E

     

    website blog 200

    Der Tag beginnt kurz vor sechs in der Morgendämmerung, das Meer rauscht, die ersten Vögel zwitschern. Zuerst eine Tasse heißes Wasser, dann Meditation in der Yogahalle. „Take a deep inhalation and a long exhalation.” Der englisch-indische Singsang klingt fremd und lädt uns ein, den Stimmen der Natur zu lauschen, uns eine halbe Stunde zu sammeln. Danach bleibt die Wahl zwischen Yoga, einem morgendlichen Bad im Pool oder im Meer, bevor die Sonne zu heiß brennt.

    Um in die Abgeschiedenheit von Nattika Beach zu gelangen, galt es, der indischen Bürokratie Genüge zu tun. Noch nie habe ich so viele Formulare ausgefüllt, so oft Pass, Visum und Bordkarte vorgezeigt. Dabei haben wir uns auf das Abenteuer des erst seit Kurzem erhältlichen Tourist Visa on Arrival eingelassen, also zu Hause mehrere Stunden am Computer verbracht, ausgefüllt, gescannt, bezahlt, und standen schließlich als Einzige vor dem verwaisten abgeschlossenen Extraschalter in Kochi. Der wurde dann allerdings schnell besetzt, und nach Foto, Fingerabdrücken und Formular, prangte der ersehnte Stempel im Pass.

  • Currydüfte

    52° 27' 33'' N, 13° 18' 35'' E

     

     

    websit blog 200Im Haus riecht es nach Curcuma, Koriander, Cumin, Muskatnuss und Zimt, nach Zwiebeln und Knoblauch. Alles brutzelt in Ghee und wartet auf das Gemüse. Richtig, ich koche Curry, genauer gesagt indisches Curry und ganz genau gesagt ayurvedisches Curry.

    Zwischen fünfzig und sechzig gelang der Körper an die Verschleißgrenze, da muss man sich nichts vormachen, Zipperlein stellen sich ein, manches geht für immer verloren, manches Straffe fällt der Schwerkraft zum Opfer. Um fit und gesund zu bleiben, bedarf es Anstrengung, auch wenn man das Glück hat, von schweren Krankheiten verschont zu bleiben.

    Ayurveda, das Wissen vom Leben, ist eine der ältesten bekannten Heilkünste —Gesundheitsvorsorge, Reinigung und Behandlung von Krankheiten durch Ölmassagen, Kräuter und Tinkturen, Yoga und Meditation und nicht zu vergessen, auch durch eine individuell abgestimmte Ernährung. Ein Rundum-Paket sozusagen. 

  • Blaue Stunden

    54° 15' 54'' N, 13° 10' 50'' E

     

    website blog 195Märchenblau verwunschen ist die Ostsee an diesem Wintertag, an dem der Himmel ebenso blau strahlt und man fast an Frühling denken könnte, wenn da nicht die leeren Dalben im Wasser und die vollen Gerüste an Land wären. Schon einmal waren wir im Winter am Strelasund und am Greifswalder Bodden. Mehr als zehn Jahre ist das her.

    Zum Segeln gibt es an der deutschen Ostseeküste kein besseres Revier — am Wochenende der geschützte Bodden und die Sunde, viele Häfen auf Rügen und Hiddensee, dazu Greifswald, und wenn man länger Zeit hat, sind auch das Stettiner Haff oder Bornholm, sind Polen, Dänemark oder sogar Schweden nicht weit. Fast immer geht ein Wind, doch vor allzu heftigem Wetter ist man zwischen Inseln und Festland geschützt. Nur vor den Flachgebieten muss man sich hüten, um nicht auf Grund, den Bodden, zu laufen. Aber das hatten wir ja nicht vor, suchten einen Liegeplatz für unser Boot an jenem Wochenende. Gleich in den ersten Hafen haben wir uns verliebt: Neuhof, über eine Holperstraße mit vielen Schlaglöchern zu erreichen, mit Blick auf Rügen, abseits von allem. Ja, sagten wir uns auf der neu gebauten Terrasse des noch geschlossenen Restaurants, hier würden wir gerne Stunden, Tage und sogar Wochen verbringen. Was wir dann auch getan haben, fünf Jahre lang, allein und mit Freunden, vor und nach langen Sommertörns und an vielen, vielen Wochenenden.

  • 33 Wochen

    52° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E

     

     

     

    Skandinavische Sommer in Pastell, quirliges Hongkong, neuseeländische Gelassenheit, das klare Türkis der Südsee und die Sonne Kaliforniens, schroffes Irland und sanftes Sri Lanka.

    website blog 175Und nun wieder Berlin, vier Wochen schon, die im Zeitraffer vorbeirauschen. Liegengebliebenes abarbeiten, Wäscheberge dezimieren, ordnen, reparieren und in die Arbeit einsteigen. Sich dem Tempo der Stadt anpassen, vom Inseldasein aufs Festland zurückkehren. 33 Wochen vom Wasser umgeben, an Meeren, Seen und Flüssen. Fremd ist das Vertraute geworden, während die Fremde vertrauter erscheint. Beim Sichten der Fotos, beim Erinnern, beim Erzählen.

    33 Wochen, 231 Tage, 5544 Stunden selbst bestimmte Zeit, na ja beinahe, so ein bisschen abhängig doch von Wind und Wellen, Tiefdruckgebieten und tropischen Stürmen, von der Zuverlässigkeit der Fortbewegungsmittel, selbst wenn es sich dabei um den eigenen Körper handelte. Am Anfang das Erstaunen, so viel Zeit, immer noch so viel Zeit, in der Fülle zuhause — am Ende zeitlos. Der Genuss kommt beim Essen, Meile für Meile, Ort für Ort, Erfahrung für Erfahrung.

    „Wo war es am schönsten?”, fragt eine Freundin.

  • Im Lotsenhafen Idö

    57° 42' 18'' N, 16° 46' 6'' E

     

     

     

    website blog 170Es gibt keine Lotsenboote mehr im Hafen von Idö, und niemand muss mehr im Zollhaus ein- und ausklarieren. In den Zeiten von GPS und Plotter haben selbst Leuchttürme nur noch nostalgischen Wert. Im Lotsenausguck liegen noch die Handbücher, im umgebauten Zollhaus wird gediegene schwedische Küche serviert inklusive des Sonnenuntergangs über dem Tjust Schärengarten. Nach Norden eröffnet sich die Schärenwelt, in Richtung Süden verabschieden wir uns hier von ihr.

  • Robinson in Ostjütland

    58° 5' 3'' N, 16° 49' 52'' E

    Unsere Insel misst zwölf mal vier Meter und schwimmt mal vor dieser, mal vor jener Schäre. Das mit dem Ankern geht inzwischen eins, zwei, fix. Platz suchen, aufstoppen und Kette runter. Dann liegt der sechzehn Kilo Anker auf dem Grund plus fünfzig Kilo Kette, und wir sind gerüstet für eine ruhige Nacht. Die Sache mit dem an Land springen und ein Seil um den nächsten Baum binden überlassen wir den Schweden, beobachten fasziniert die forschen Manöver.

    website blog 167So hangeln wir uns von Bucht zu Bucht, von Griskär nach Läng, von Fliskär nach Lindholmen, bleiben ein oder zwei Nächte und ziehen weiter. Am schönsten sind die äußeren Schären, hinter denen das offene Meer liegt, von denen der Blick ins Weite geht. Manche Buchten sind groß, bieten Platz für viele Boote, an anderen können gerade zwei Boote anlegen. Einige sind mycket populär, wie unser Schärenführer es nennt, wenige sind abgeschieden. Die Dörfer der Fischer und Robbenfänger, der Lotsen und Fährleute sind Feriensiedlungen geworden.

  • Point of Return — Fjärdläng

    59° 3' 12'' N, 18° 31' 42'' E

    website blog 164

    Am Ziel im Norden, auf Fjärdläng, etwa auf der Höhe von Stockholm, aber mehrere Meilen weiter östlich, eine Insel im Meer. In zwei Tagen, wenn der Wind auf Nord dreht, geht es langsam zurück.

    website blog 162Grün sind die Schären Stockholms mit dichtem Unterholz, Moos und Blaubeerteppichen, zerklüftet durch Buchten, durch tiefe Kerben oder runde Ausschnitte, wie bei angebissenen Keksen. Im Sommer zieht es Segler und Motorboote in die natürlichen Häfen, selten liegt man dort allein, und wenn doch, ist es eher ein Grund zur Unruhe. Dann überprüft der Kapitän den Seewetterbericht und bringt noch mehr Leinen aus. In der Regel liegen die Boote in knuddligen Päckchen an den Schären und noch einige vor Anker. Dabei gilt: Je weiter weg vom Festland, je ungeschützter vor den Winden, desto einsamer wird es, je größer die Insel, je mehr Angebote, desto enger ist es.

  • Sörmland — im Hafen

    58° 52' 20'' N, 17° 33' 13'' E

     

     

    website blog 160Wenn die Vorräte zur Neige gehen, wenn frisches Obst und Gemüse fehlen, wenn die Milch für den Morgenkaffee rationiert werden muss, Haut und Haar nach warmem Wasser lechzen, Kleidung und Boot einen klebrigen Zustand annehmen, dann ist es Zeit für einen Hafen, für die nächste Stadt an der dünn besiedelten Küste Sörmlands. In den zwei skandinavischen Sommermonaten steigt die Einwohnerzahl allerdings um ein Vielfaches, und an manchen Stellen wähnt man sich fast am Sonntagnachmittag auf dem Wannsee, so dicht ziehen die weißen Segel und schnellen Motorboote vorbei. Je näher Stockholm kommt, desto mehr Ferienhäuschen und -häuser sitzen auf den Felsen, desto mehr Boote liegen in den Buchten, desto voller werden die Häfen.

  • Schärensommer

    57° 57' 11'' N, 16° 48' 11'' E

    website blog 157

    Gerade erst das Ruder repariert, gerade erst mit viel Wind und mithilfe des halben Hafens angelegt (mal wieder der Propeller, aber schweigen wir lieber davon), gerade erst Regen und Kälte getrotzt, und schon ist es auf einmal Sommer in Schweden, scheint die Sonne den ganzen Tag, liegen die Temperaturen weit über 20 Grad, weht nur noch eine leichte Seebrise an der Ostküste zwischen Tjust und Gryts Skärgard.

    Durch das Schärenfahrwasser tuckern die Boote, biegen ab in Buchten, zu unzähligen natürlichen Häfen. Zwischen den kleinen und größeren Inseln lässt es sich gut und sicher ankern oder anlegen oder ankern und anlegen. Letzteres bevorzugen die Schweden, denn so braucht man weder ein Gummiboot aufblasen noch an Land paddeln. Allerdings sollte man wissen, an welcher Stelle das Wasser vor der Schäre tief genug ist.

  • Wachsen in Västervik

    57° 45' 27'' N, 16° 39' 5'' E

     

     

    website blog 155Es donnert in der Ferne, es regnet in der Sonne, das Außenthermometer zeigt 25 Grad, aber wohl nur, weil der Fühler direkt beschienen wird. Wir schaukeln am Steg und warten auf den Kran.

    Resilienz beschreibt in der Werkstoffphysik eine Eigenschaft von Stoffen, die nach Momenten extremer Spannung wieder in den Ausgangszustand zurückkehren. Die Psychologie verwendet den Begriff, um die seelische Widerstandsfähigkeit in Krisen zu beschreiben. Gemeinhin gilt Resilienz als wünschenswert, der Grundstock wird in der Kindheit gelegt, Gelegenheiten zur Stärkung bieten sich ein Leben lang.

    Wenn einem das normale Leben nicht ausreicht, kann man sich ein gebrauchtes Boot anschaffen, um die eigene Resilienz zu testen und immer weiter auszubauen, denn beim Fahrtensegeln gelten zwei Gesetze:
    1. Was kaputt gehen kann, das geht auch kaputt.
    2. Wenn etwas kaputt geht, dann auf jeden Fall am Freitagnachmittag.

    Endlich hatte der Wind gedreht, endlich waren wir im ersten Schärengarten angekommen, lagen außen auf einer ehemaligen Lotseninsel und genossen erst die Sonne und dann das Fußballspiel. Vor der Weiterfahrt am nächsten Morgen ist ein Tauchgang nötig. Nur zur Sicherheit, das Steuer ruckelte so eigenartig. Die Neuigkeiten, die der Kapitän aus der kalten Ostsee mitbringt, sind alles andere als gut: Das Ruder hat sich geteilt, hängt nur noch lose zusammen. das Boot muss aus dem Wasser. Wo ist die nächste Werft, wo ist der nächste Kran?

    website blog 156Das ist nicht schwer herauszufinden, und die nächsten Tage in Västervik bieten uns viele Möglichkeiten unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken (frei nach den sieben Resilienzfaktoren).

    1. positive Einstellung: ein Kran wird kommen, ein Monteur wird Zeit haben
    2. vorbereitet sein: siehe oben, was kaputt gehen kann …
    3. Akzeptanz der Realität: mindestens eine Woche Urlaub auf der Werft
    4. lösungsorientiert denken: Reparaturdauer, alternative Urlaubsplanung
    5. sich nicht als Opfer fühlen: schwierig, denn gemein ist das schon, aber Lachen hilft
    6. keine Schuldzuweisung: dabei hätte es genügend Kandidaten gegeben
    7. Nutzen von sozialen Netzwerken: okay, zumindest wisst ihr nun Bescheid

    und wir wachsen weiter einige Meter über dem Wasser, haben den Überblick und ein doppeltes Ruderblatt.

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