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53° 44' 10'' N, 14° 3' 2'' E
Wieder unter dem Ostseehimmel, wieder auf Ostseewasser - fast, wieder in Ostseesonne und -wind. Das letzte Drittel unseres Sabbaticals verbringen wir auf dem Boot, segeln in Richtung Norden.
Zu Himmelfahrt kann man im Nordosten Glück oder Pech mit dem Wetter haben. Wir beginnen mit dem Pech und drei Lagen Fleece, als die Volver ins Wasser gelassen wird, und sind einen Tag später im sonnigen Glück. Nur gut, denn wir räumen ein und putzen die Blätter vom Boot, die der letzte Sturm hinterlassen hat. Und auch gut für die Männergruppen, Familien und Paare, die am Herrentag oder Vatertag oder Himmelfahrt, auf jeden Fall an einem Donnerstag Ende Mai zu Wasser und auf dem Land unterwegs sind.
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52° 28' 25'' N, 13° 24' 19'' E
Grün sprießt in Überfülle, flutet Bäume und Gärten, bunte Folien, Flaschen und Pappen quellen auf Mülleimer an Seen und liegen als Potpourri am Weg, über den die Laufschuhparade rennt, joggt oder walkt.
Wir leben im Überfluss, hecheln dem Optimum hinterher, und ein bunter Strauß an Widersprüchen, Halbwahrheiten und schierem Blödsinn quillt täglich an allen Ecken und Enden hervor, liegt mündlich, schriftlich und virtuell am Weg.
I'm an alien … ein Jahr raus aus dem üblichen Trott.
Sogenannte Sachbücher blasen Stammtischparolen in Bestsellerlisten, junge Mädchen posten Selfies vom thigh-gap, einem luftleeren Raum zwischen den Oberschenkeln, der früher nur Modells und Barbiepuppen vorbehalten war. Europa baut sich zu einer Festung aus, die Groko macht Geschenke statt Politik und verhandelt hinter geschlossenen Türen über Abkommen, die es Unternehmen erlauben, aufgrund entgangener Gewinne gegen Gesetze zu klagen.
Und dann wählt Europa Rechtspopulisten, als hätte es Faschismus nie gegeben, als wären Fremde das Problem und nicht eine längst überholte Wachstumsdoktrin, die alles dem Zweck unterordnet und den Sinn verliert.
Doch schwarz ist nicht alles, es gibt auch bunt: Ein Feld bleibt frei, dank der Initiative von 100% Tempelhofer Feld. Berlin wählt Platz statt Prestige, Sinn statt Zweck. Super.
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51° 29' 13'' N, 9° 42' 60'' W
Hecken, Kurven, grauer Himmel bis zum blaugrauen Atlantik. Seit Tagen stürmt es oder regnet oder regnet stürmisch oder stürmt mit Sonnenschein, aber das eher selten. Ein Irlandurlaub hat immer auch etwas von Überlebenstraining. Nicht, dass Leib und Leben wirklich in Gefahr wären, jedenfalls nicht mehr als bei anderen Urlauben, doch eine gewisse Robustheit ist gefragt — körperlich, um sich Kälte und Regen in den Weg zu stellen, ohne krank zu werden, psychisch, um nicht im Warten auf einen Sonnenstrahl zu verzweifeln.
Vielleicht ist es auch ein wenig wagemutig zu ungewöhnlichen Zeiten die Insel aufzusuchen, schon oft waren wir im Oktober hier, diesmal eben Anfang Mai, der den Bauern sicher Scheun und Fass füllt, uns aber meist im Haus festhält. Doch auch den nassesten August seit Menschengedenken haben wir irgendwann einmal mitgenommen. Verlassen kann man sich in Irland nur auf den Regen und den Wechsel. Der kommt sicher, und wenn dann die Sonne am blauen Himmel steht, ist Irland eines der schönsten Länder auf dieser Erde. Nur dass der große Heizstrahler eben oft verhangen ist, und Stürme aus dem Westen über die Insel fegen. Es stürmt also, und selbst die Jugendlichen sagen ihre Strandparties ab. Schwimmen gehen sie dennoch, bei elf Grad Außentemperatur.
Unter drei Decken schlafen wir lange, ausruhen kann man fantastisch in Westcork mit Blick auf das Meer, auf grüne Wiesen und gelben Ginster. Herz und Seele lüften. Zum Markt fahren. Biogemüse, selbstgemachter Ziegenkäse und Yoghurt, selbstgebackenes Brot und ein kleiner Schwatz. Organic food neben allem, was man selbst herstellen kann oder im Keller findet. Im äußersten Südwesten Europas stehen eben keine Hightech-Fabriken, sondern Farmen mit Schafen, Kühen und Gemüse, vorzugsweise Kartoffeln. Ein Fach in der Oberschule ist Landwirtschaft, und unsere Tochter weiß nach einem Dreivierteljahr in Irland mehr darüber als die in Berlin aufgewachsene Mutter, die nur zu Besuch kommt. Entbehrungsreich und fordernd war das Leben in dieser Ecke Europas schon immer, weshalb das reichhaltige und günstige Angebot deutscher Billigmarktketten mit vorsichtiger Begeisterung aufgenommen wird. Europa ist Segen und Bürde.
Am Abend am bullernden Holzofen ist Europa zu Gast. Irland hat ein besonderes Verhältnis zum ESC, denn das kleine Land hat den Wettbewerb am häufigsten gewonnen, sieben Mal insgesamt. All Kinds of Everything könnte ich auch noch mitsummen. In Kopenhagen ist kein irisches Lied dabei, doch diesmal gewinnt Europa, stimmt mehrheitlich für Toleranz, für Conchita Wurst, die Künstlerin, die Kunstfigur, die sich gerade das auf die Fahnen geschrieben hat. Auch von Irland gibt es zwölf Punkte für Österreich. Rise like a Phoenix.
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33° 59' 32'' N, 118° 28' 3'' W
Es ist nicht leicht, ein Paradies zu verlassen, und fast wären wir geblieben, denn die Startbahn auf Rarotonga war nass, das Flugzeug musste leichter werden — um dreißig Personen samt Gepäck.
Nach einer Stunde hatten sich genügend Freiwillige gefunden, und die Maschine hob ab. Mit uns, denn unsere kleine Weltreise nähert sich dem Ende.
Von der kleinen Insel in die riesige Großstadt, doch Venice ist einigermaßen überschaubar, die Straßen sind klein, die Kanäle noch kleiner, und wir wohnen hinter Glas, umgeben von üppigem Grün und extravaganter Kunst. Türcode und Internetpasswort kamen per Mail, die Hauseigentümer Darla und Wolfe lernen wir erst beim Einräumen kennen. Entspannt geht es auch in Geschäften und Restaurants zu — und sehr aufmerksam.
You've been here yesterday? Welcome. Drei Abende hintereinander essen wir bei Hal's mit fantastischem Service und extrem leckeren Espresso-Martini.
Das Meer ist ein paar Querstraßen weiter, ein weiter Sandstrand, ein zweispuriger Fahrradweg, ein breiter Fußweg und jede Menge Geschäfte und Stände. Kein Haus gleicht dem anderen, bunt geht es zu, modern und alt, fantastisch und schlicht. Und auf den Grünflächen haben die Unbehausten ihr Lager aufgeschlagen. Alles ist Performance: eine Frau joggt in Tanzschritten, eine Surfer balanciert sein Bord auf dem Fahrrad, zu Rollerskates tragen Mann und Frau Sonnenbrille und Kopfhörer und am Ocean Park hangeln sich ein paar wie Tarzan an schwingenden Ringen oder klettern Seile empor.
Nach Hollywood geht es nicht mehr mit dem Fahrrad, die Straßen werden groß und voll und lang. Drei Tage sind viel zu kurz — Auf Wiedersehen Los Angeles … aber noch ist offen, wann wir die Stadt verlassen, alle Flüge nach Deutschland in den nächsten zwei Tagen sind gestrichen.