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52° 30' 33'' N, 13° 22' 33'' E
Stehvermögen und Sitzfleisch sind gefragt in den ersten zwei Februarwochen, Zeit natürlich auch, um das Programm zu studieren, sich beim Vorverkauf anzustellen, vor dem Kino erneut in der Schlange zu stehen. Sofern man also nicht beruflich mit dem Film zu tun hat, braucht es Begeisterung und Einsatz, was wiederum zu einer ganz besonderen Stimmung beiträgt — freundlich, fröhlich und erwartungsvoll begibt man sich auf die Jagd, gespannt sitzt man in großen und etwas kleineren Sälen. Und wie bei vielen Überraschungen warten hinter dem Vorhang Grandioses und Mittelmäßiges, Berührendes und Langweiliges.
1 — Sangue azul: Die Worte des Sektionsleiters hätten uns warnen sollen, er sprach von Tabubrüchen, unter der die Macher des brasilianischen Eröffnungsfilms dann vor allem Vögeln in verschiedensten Varianten verstanden, inklusive Inzest — dazwischen bedeutungsschwangere, pseudo-mythologisch aufgeladene Bilder (nicht nur ein Pfahl, sondern gleich der ganze Zaun) sowie unterirdische Dialoge. Ärgerlich.
2 — Une jeunesse allemande: Ein junger französischer Dokumentarfilmer beschäftigt sich mit der Geschichte der RAF anhand von vorhandenem Filmmaterial aus dieser Zeit. Wir sehen Bekanntes und Unbekanntes: Ulrike Meinhof, wie in einer Fernsehdiskussion unter lauter sehr seriös aussehenden Männern die bundesrepublikanische Gesellschaft analysiert. Holger Meins, der begeistert sein Studium im ersten Jahrgang an der Filmhochschule Berlin aufnimmt. Eine rote Fahne, die als „Farbtest” wie eine Fackel durch Berlin getragen wird.
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52° 26' 17'' N, 13° 15' 44'' E
Toleranz: Duldsamkeit, Nachsicht, Großmut, Verständnis. So steht es im Duden.
Wir leben im Fitness-Zeitalter. Fit sein ist alles. Vor allem der Körper soll gestählt werden, auf die Form kommt es an — definierte Muskeln, flacher Bauch, straffe Haut. Fitness-Studios boomen, als Hobby für Jugendliche, als Ausgleich zur Arbeit, als Prävention und Linderung erster Gebrechen für Ältere.
Ja, ich gebe es zu, auch ich bin Mitglied, gehe regelmäßig schwimmen, turnen, saunen. Mit vielen, vielen anderen, manchmal wird es recht eng vor den schmalen Spinden im Umkleideraum, bilden sich Schlangen vor den Geräten, gibt es Stau auf den Bahnen im Schwimmbad. Allgemein geht man freundlich distanziert miteinander um, schließlich leidet man gemeinsam und ist gleichzeitig Teil der großen „Ich halte mich fit”-Familie. Manchmal kommt es allerdings zum großen Familienkrach, da treffen Welten aufeinander, die sich sonst vielleicht nie berühren.
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52° 27' 47'' N, 13° 21' 51'' E
Die Reise geht nach Sizilien und Böhmen — Böhmen am Meer, da weiß man gleich, dass man sich in einem Märchen befindet.
Ausgestattet mit Fleecedecken und Punsch sitzen wir in einem Zelt im alten Lokschuppen auf dem Schöneberger Südgelände, und Sizilien glänzt weiß und gold, eitel Freude überall. Doch ein eifersüchtiger Tyrann zerstört sein Glück, ein Freund muss fliehen, ein Junge und seine Mutter sterben, ein Neugeborenes wird ausgesetzt — Perdita, die Verlorene, heißt das Mädchen —, und ein Chor der Zeit streckt die Pause auf sechzehn Jahre.
Böhmen ist bunter, fröhlicher mit norddeutsch schnackenden Schäfern, einem rappenden Dieb, und einem verliebten Prinzen, der auf dem Schafschurfest tanzt und dann doch mit seiner Perdita fliehen muss — nach Sizilien, wo sich alles märchengerecht zum doppelten Happy-End fügt.
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52° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E
Stille Tage, Zeit für Erinnerungen. Ich gehe spazieren im frischen Schnee und genieße die Stille, das Weiß. Es kann etwas sehr Schönes sein, wenn alles schweigt, und es kann ganz furchtbar sein, wenn alle schweigen.
„Im Labyrinth des Schweigens” ist ein Film über das zweite Schweigen, über ein schweigendes Land fünfzehn Jahre nach Kriegsende, das nichts mehr wissen will von den Verbrechen, die im vermeintlich tausendjährigen Reich verübt wurden. Schon der etwas sperrige Titel verweist darauf, wie man sich verlieren kann in den stillen Gängen, an den Mauern des Ungesagten, und wie schwierig es ist, einen Weg hinaus zu finden, Zeugnis abzulegen. Und der Film findet Bilder, die diese Atmosphäre einfangen, den Schrecken des Schweigens, das Erschrecken, wenn das Schweigen endlich gebrochen wird.