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52°31'22''N,13°23'18''E
Ein Recht auf Glück hat der Festivalchef für die 66. Berlinale als Motto ausgerufen. Natürlich möchte jeder glücklich sein und es sind die wundervollen Momente, in denen es auch gelingt. Manchmal sogar in den Filmen.
In dem Eröffnungsfilm Hail, Caesar! (Joel und Ethan Coen) ist es eher das Glück des Zufalls, das dem Studiochef Mannix unter die Arme greift. Aber der Plot ist sowieso nicht das Wichtigste an der rasanten Abfolge von Filmzitaten aus dem Hollywood der 50er Jahre, grell und bunt entfalten sie ihren Zauber und werden im selben Moment gebrochen. (Meine persönliche Lieblingsszene ist die Tanzszene in einer Matrosenbar, in der Channing Tatum wie Gene Kelly singt und steppt bis alle Matrosen in ausgelassener Erotik miteinander tanzen.) Demontiert wird Stück für Stück nicht nur der Zauber Hollywoods, sondern auch die verklemmte, kommunistenfeindliche Atmosphäre, wobei auch idealistische kommunistische Drehbuchautoren ihr Fett wegbekommen, dazu alle Kirchen, Schauspieler und Regisseure. Kurzum, ein anarchisches Vergnügen.
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52° 27' 33'' N, 13° 18' 35'' E
Strahlend helle Sonne, Hitze, die fast zu viel ist, die Stadt voller Baustellen und Touristen, die Seen schon leicht grün. Sommer.
Was macht Frau, wenn sie nicht auf Reisen gehen, nicht in den See tauchen, nicht im Freiluftkino sitzen, eben Haus und Garten nicht verlassen kann?
ich reise in Büchern, am liebsten in Länder, in denen ich noch nie war. Das Glück, Neues, Unerwartetes zu entdecken.
Die erste Reise führt nach Israel. Löwen wecken von Ayelet Gundar-Goshen, übersetzt von Ruth Ashama, erschienen bei Kein und Aber. Ein erster Satz, der mich nicht wieder loslässt: „Und er dachte sich gerade, dies sei der schönste Mond, den er je gesehen habe, als er den Mann umfuhr. Und als er ihn umfuhr, dachte er im ersten Moment immer noch an den Mond, dachte weiter an den Mond und hörte dann mit einem Schlag auf, als hätte man eine Kerze ausgeblasen.”
Ein Unfall in der Wüste, ein Arzt begeht Fahrerflucht, ein Toter bleibt zurück. Das könnte ein Krimi werden und ist auch das Porträt einer Ehe, denn die Frau des Arztes ist Polizistin und wird die Ermittlungen in dem Fall übernehmen. Es könnte eine Reflexion über Schuld und Sühne sein und ist auch ein Porträt der Situation von Flüchtlingen aus Eritrea, denn das sind der Tote und seine Frau, Infiltranten heißen sie in Israel, leben und arbeiten ohne Papiere und Aufenthaltserlaubnis. Die Frau wiederum sucht den Arzt auf und macht ihm einen Vorschlag, den er nicht ablehnen kann. Es könnte eine Dreiecksgeschichte sein und ist auch das Porträt von Menschen mit all ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten.
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54° 59' 22'' N, 8° 21' 34'' E
Kurz vor dem nördlichsten Zipfel von Sylt schnurrt die Insel zusammen, wird ein schmaler Streifen Dünenlandschaft, umspült von Nordsee und Wattenmeer. Dort liegt Klappholttal, verteilen sich Hütten und Seminarräume, Bibliothek und Vortragssaal und vieles mehr zwischen den Hecken der Kamschatkarose. Seit 1919 gibt es die Volkshochschule, die Akademie am Meer, seit vielen Jahren findet dort die Sommerakademie der Bücherfrauen statt unter dem wechselnden Wolkenfeldern am hellen Himmel, nur wenige Treppenstufen vom langen, einsamen Strand. Seit Monaten habe ich mich auf diese Tage gefreut und fast hätte es nicht geklappt.
Von Berlin fährt der Zug sechseinhalb Stunden bis nach Westerland, doch ich bin inzwischen von der Läuferin zur Liegenden geworden. So legt der Gatte eine Matratze in den Wagen und fährt nach Niebüll. Eine kurze Zugfahrt über den Hindenburgdamm, eine noch kürzere mit dem Taxi über die Insel, dann geht es los mit der Text- und Körperarbeit am Meer.
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52° 27' 33'' N, 13° 18' 35'' E
Von Natur aus sind wir Läufer. klar, das weiß inzwischen ja fast jeder. Der Wald ist voll mit LäuferInnen, Fitness-Studios boomen. Ausgleich ist wichtig, Bewegung ist wichtig. Ja ja, mach ich alles, mindestens zwei Mal in der Woche und ab und zu Termine beim Osteopathen, um Schultern und Hals zu lockern, die stundenlanges Sitzen vor dem Computer, nun ja, nicht gleich wie Beton, aber doch reichlich hart und unbeweglich macht. Denn während unser Hirn tagtäglich mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts beschäftigt ist, befindet sich unser Körper quasi noch in der Steinzeit bei den Sammlern und Jägern.
Ich sorge also für meinen Körper, ich weiß, was gut ist. Warum ich dennoch manchmal acht Stunden fast am Stück am Schreibtisch sitze und auf einen zugegeben ziemlich großen Bildschirm starre? Ich könnte den allseits bekannten Termindruck beklagen, den es natürlich auch gibt, aber hinzu kommt die eigene Faszination an den Texten, am Knobeln, am Spielen mit Worten und manchmal auch an der bunten Netzwelt. Es fällt mir leicht zu vergessen, dass ich einen Körper habe, besser gesagt, es fiel mir leicht.
„Das sieht nach einem Bandscheibenvorfall aus”, sagt der Arzt und schickt mich zum MRT.