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52° 27' 33'' N, 13° 18' 35'' E
Von Natur aus sind wir Läufer. klar, das weiß inzwischen ja fast jeder. Der Wald ist voll mit LäuferInnen, Fitness-Studios boomen. Ausgleich ist wichtig, Bewegung ist wichtig. Ja ja, mach ich alles, mindestens zwei Mal in der Woche und ab und zu Termine beim Osteopathen, um Schultern und Hals zu lockern, die stundenlanges Sitzen vor dem Computer, nun ja, nicht gleich wie Beton, aber doch reichlich hart und unbeweglich macht. Denn während unser Hirn tagtäglich mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts beschäftigt ist, befindet sich unser Körper quasi noch in der Steinzeit bei den Sammlern und Jägern.
Ich sorge also für meinen Körper, ich weiß, was gut ist. Warum ich dennoch manchmal acht Stunden fast am Stück am Schreibtisch sitze und auf einen zugegeben ziemlich großen Bildschirm starre? Ich könnte den allseits bekannten Termindruck beklagen, den es natürlich auch gibt, aber hinzu kommt die eigene Faszination an den Texten, am Knobeln, am Spielen mit Worten und manchmal auch an der bunten Netzwelt. Es fällt mir leicht zu vergessen, dass ich einen Körper habe, besser gesagt, es fiel mir leicht.
„Das sieht nach einem Bandscheibenvorfall aus”, sagt der Arzt und schickt mich zum MRT.
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10° 24' 51'' N, 76° 5' 9'' E
Alles klebt, Haut und Haar. sogar die Kleidung. Aber der Kopf ist plötzlich frei und die Hitze angenehm. Wir befinden uns in der Aufbauphase. Routiniert folgen wir der Routine aus Ölmassagen und Reisbeutelklopfen, genießen das Essen und wagen uns hinaus — allein und in Begleitung von Eva-Maria, einer österreichischen Yoga-Lehrerin, die zwei Monate lang im Ayurveda-Team mitarbeitet, begrüßt, übersetzt, Ausflüge begleitet und für jeden ein Ohr und ein Lächeln hat.
Kerala ist nicht Indien, in vielerlei Hinsicht — der Bundesstaat im südwestlichsten Zipfel ist sprachlich homogener, da er 1956 entlang der Sprachgrenzen des Malayalam geschaffen wurde, er ist religiös durchmischter, nur etwas mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung sind Hindus, an ihrer Seite leben fast doppelt so viele Muslime und zehnmal mehr Christen als im Rest des Landes (neben den Tempeln gehört auch der Bible Tower in Thrissur zur Besichtigungstour). Der Bildungsstandard ist höher in Kerala, das Pro-Kopf-Einkommen ebenfalls, das allerdings zum Teil auch von gut ausgebildeten Keralesen in den Golf-Staaten erwirtschaftet wird. So sehen wir auf unsrer Fahrt nach Thrissur neu erbaute Paläste neben den Hütten der Fischer und Bauern. In Kerala selbst sind Landwirtschaft und Fischfang die wichtigsten Einnahmequellen und ein landesweiter Streik legt alles einen Tag lang lahm, weil die Regierung Fischereirechte verkaufen will. Es fahren weder Tuktuks noch Busse noch Taxen, Geschäfte sind geschlossen, Fischerboote liegen am Strand. Kerala ist auch das Land der aktiven Gewerkschaften.
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10° 24' 51'' N, 76° 5' 9'' E
Der Tag beginnt kurz vor sechs in der Morgendämmerung, das Meer rauscht, die ersten Vögel zwitschern. Zuerst eine Tasse heißes Wasser, dann Meditation in der Yogahalle. „Take a deep inhalation and a long exhalation.” Der englisch-indische Singsang klingt fremd und lädt uns ein, den Stimmen der Natur zu lauschen, uns eine halbe Stunde zu sammeln. Danach bleibt die Wahl zwischen Yoga, einem morgendlichen Bad im Pool oder im Meer, bevor die Sonne zu heiß brennt.
Um in die Abgeschiedenheit von Nattika Beach zu gelangen, galt es, der indischen Bürokratie Genüge zu tun. Noch nie habe ich so viele Formulare ausgefüllt, so oft Pass, Visum und Bordkarte vorgezeigt. Dabei haben wir uns auf das Abenteuer des erst seit Kurzem erhältlichen Tourist Visa on Arrival eingelassen, also zu Hause mehrere Stunden am Computer verbracht, ausgefüllt, gescannt, bezahlt, und standen schließlich als Einzige vor dem verwaisten abgeschlossenen Extraschalter in Kochi. Der wurde dann allerdings schnell besetzt, und nach Foto, Fingerabdrücken und Formular, prangte der ersehnte Stempel im Pass.
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52° 27' 33'' N, 13° 18' 35'' E
Im Haus riecht es nach Curcuma, Koriander, Cumin, Muskatnuss und Zimt, nach Zwiebeln und Knoblauch. Alles brutzelt in Ghee und wartet auf das Gemüse. Richtig, ich koche Curry, genauer gesagt indisches Curry und ganz genau gesagt ayurvedisches Curry.
Zwischen fünfzig und sechzig gelang der Körper an die Verschleißgrenze, da muss man sich nichts vormachen, Zipperlein stellen sich ein, manches geht für immer verloren, manches Straffe fällt der Schwerkraft zum Opfer. Um fit und gesund zu bleiben, bedarf es Anstrengung, auch wenn man das Glück hat, von schweren Krankheiten verschont zu bleiben.
Ayurveda, das Wissen vom Leben, ist eine der ältesten bekannten Heilkünste —Gesundheitsvorsorge, Reinigung und Behandlung von Krankheiten durch Ölmassagen, Kräuter und Tinkturen, Yoga und Meditation und nicht zu vergessen, auch durch eine individuell abgestimmte Ernährung. Ein Rundum-Paket sozusagen.