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53° 56' 34,5'' N, 21° 19' 12,8'' E
Überall Störche, zu zweit, zu dritt, zu viert drängen sie sich auf den hohen Nestern, staksen durch feuchte Wiesen und Felder, die weit über das Land gehen.
Das Paradies liegt in den Masuren, an einem der vielen Seen, in Ruska Wiesn, wo das Gras in Terrassen zum Wasser strebt. Auf den Terrassen stehen Zelte, Wohnwagen, Campmobile. Es gibt viel Platz und viel Ruhe und den Blick über den See in Sonne und Regen.
„90% der Gäste sind Deutsche, seit 40 Jahren”, sagt der Herr über Wiese und See auf der Fahrt ins nächstgelegene Städtchen Mragowo, zum Spezialisten. Meinen furchtlosen Gefährten plagt der Rücken und unser freundlicher Gastgeber übernimmt den Fahrdienst. „Dieses Jahr fehlen die Gäste. Das Wetter, die Politik. Was soll man machen?” Er baut einen Tennisplatz, aber gerade ruht die Arbeit. Es schüttet und wir drehen eine Runde durch die Stadt, bevor es zum Arzt geht. „Vier Kinder. Was soll man machen?” Der große Sohn führt ein Restaurant.
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52° 31' 8'' N, 13° 21' 54'' E
Die Bären sind vergeben. Das Festival ist beinahe zu Ende.
Ein kleiner Rückblick auf meine Lieblingsreihe: die Kinder- und Jugendfilme der Berlinale. Bei den Generation Filmen ist die Begeisterung noch größer, sowohl auf Seiten des Publikums aus mehreren Generationen als auch auf Seiten der Filmcrews. Es sind Low-Budget-Filme, die vom Engagement aller Beteiligten leben, nicht zuletzt von den jungen Schauspielern, die den Protagonisten Gesichter und Stimmen geben. Es sind Filme der Suche, der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung.
Hier nun drei Filme, die keine Preisträger geworden sind und wahrscheinlich auch nicht in unseren Kinos auftauchen werden, was ich sehr schade finde.
1. Weirdos (Bruce McDonald)
Es ist nicht leicht, Mitte der Siebziger anders zu sein als die normalen Teenager auf dem Land in Nova Scotia. Kit will weg zu seiner Mutter in die größere Stadt. Mit seiner Freundin macht er sich auf den Weg (eine solch ehrliche und solidarische Freundin kann man nur jedem wünschen) und mit Andy Warhol, der immer wieder an seiner Seite auftaucht. „Everyone’s a weirdo”, sagt er. Was vielleicht als Motto des schwarzweißen Roadmovies gelten kann. Sich das einzugestehen, ist schmerzhaft und gleichzeitig der einzige Weg, eine Reise zur Wahrheit.
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52°31'22''N,13°23'18''E
Gründe für die Berlinale:
Filme (offensichtlich), Entdeckungen (manchmal), Begeisterung (immer)
Noch einmal 4 von 400 — von bitterböse bis herzlich:
1. Wilde Maus (Josef Hader)
Haders Musikkritiker ist kein netter Mensch, sein Blick auf die Welt, die Musik, seine Beziehung ist eher negativ und fatalistisch. Die Kündigung durch seinen deutschen Chef führt zu einem absurden Rachefeldzug. Das lebt von Übertreibungen, von Dialogen und Taten, die immer ein bisschen schräger und gemeiner sind, als man sich normalerweise traut. Und es macht Spaß, dabei zuzusehen, beim vergeblichen Anrennen — auch buchstäblich — gegen die Absurdität des Lebens.
2. The Party (Sally Potter)
Es wird keine Feier geben in dem kürzesten Film im Wettbewerb. Stattdessen ein Feuerwerk an Dialogen, die alle Lügen und Schwächen offenlegen. Eine schwarzweiße Welt in Wohnzimmer, Küche, Bad und einem kleinen Hinterhof. Statt die Ernennung der Gastgeberin zur Gesundheitsministerin zu feiern, wird abgerechnet. Auf jeden Satz folgt eine Replik, die alles nur noch schlimmer macht. Ein bissiges, sehr unterhaltsames Bild des liberalen Bürgertums mit einem hervorragenden Schauspielerensemble.
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52°31'22''N,13°23'18''E
Vier Mal Familien, Beziehungen, Strategien der Problemlösung.
Zwei Mal im Forum, zwei Mal im Wettbewerb.
1. Werewolf (Ashley MCKenzie)
Die Kamera rückt nah, fast zu nah — man sieht Haare, Füße, den halben Ausschnitt eines Gesichts. Den Portionierer für Methadon in einer Apotheke, das hastige Schlucken. Ein junges Paar versucht, zusammen clean zu werden. ihre Welt ist eng: die kleine Stadt in Kanada, Sozialstation, Arzt, Apotheke, ein verlassener Wohnwagen. Man möchte sie schütteln — Ihn, damit er endlich aufhört, die Verantwortung für sein Elend allen anderen zu geben, und sie, damit sie ihn endlich verlässt. Sie wollen beide weg, aus diesem Ort, aus diesem Leben. Immer wieder reden sie davon.
Die Regisseurin und die meisten von der Filmcrew kennen den Ort gut, es ist ihre Heimat. Wohl auch deswegen wirkt der Film sehr dokumentarisch — mit Ausnahme der beiden Hauptfiguren agieren Laien.
2. Barrage (Laura Schroeder)
Drei Generationen, Großmutter, Mutter, Tochter. Drei Generationen Disziplin und Pflicht, Scheitern und Enttäuschung. Catherine sucht Kontakt zu ihrer Tochter Alba, die sie vor zehn Jahren bei der Großmutter Zaza zurückgelassen hat. Es geht zunächst schief, muss schiefgehen, denn Catherine ist gefangen in Abwehr und Ablehnung, dem eigenen Scheitern. Blicke, Schweigen, vorsichtige Annäherung, ein wilder Tanz von Mutter und Tochter am See. Überhaupt die Musik, sie spielt in der Musikbox, die Catherine für ihre Tochter angeschafft hat, sie begleitet beide in den Wald, an den See. Musik ist das Element Hoffnung, die Annahme dessen, was war, was wurde, was ist.