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57° 22’ 16’’ N, 16° 33’ 12’’ E
Auf dem Meer begegnen sich Schiffe in gehörigem Abstand, Freizeitkapitäne grüßen sich, nationenübergreifend. Im Hafen liegen Schiffe Seite an Seite, begegnen sich die Menschen. Der erste Kontakt geschieht häufig beim Anlegen. Es ist immer einfacher, wenn eine Hand an Land die Leine entgegennimmt, und das herausfordernde an-Land-springen, Bug-abhalten und gleichzeitig Leine-durch-kleine-Öse-ziehen entfällt. Und inzwischen scheint helfen selbstverständlich geworden zu sein, ebenfalls nationenübergreifend.
So haben wir auch Jewgeni und Viktoria kennengelernt, beim Leinen annehmen an einem Tag mit viel Wind. Beide stammen aus der Ukraine, leben nun in Schweden, sind sich auch dort erst begegnet. Jewgeni als Aussteiger im Boot, Viktoria, die gerne ein eigenes Hotel eröffnen. Wir stellen ein Verlängerungskabel zur Verfügung für dir Kaffeezubereitung an Bord, Jewgeni gibt uns Tipps für schöne Übernachtungsplätze und am nächsten Morgen fahren wir gemeinsam hinaus und machen Fotos.
Reinhard und Walburga sind auf dem Weg zum Götakanal, nutzen den ersten Sommer in Rente für die lange Strecke. In Hanö liegen wir im Päckchen, genießen mitgebrachte Schnäpse. Das Paar im nächsten Hafen hat die Reise in umgekehrter Richtung gerade hinter sich. Seit Mai sind sie unterwegs, haben den Sommer in den Schären verbracht.
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57° 51’ 59’’ N, 16° 41’ 49’’ E
Und dann sind wir endlich dort, sind am Ziel unserer Segelreise, sind in den Schären. Um uns herum kleinere und größere Felsen — mal kahl, mal mit Baum oder Strauch bewachsen — umspült vom Meer. Rote und grüne Stangen zeigen den Weg, zwischendurch ein Blick auf Plotter und Karte, die Wassertiefen anzeigen, die im vorigen Jahrhundert vermessen wurden und sich seitdem nicht geändert haben.
Wie oft sind wir schon zwischen Figeholm, Västervik und Loftahammar gesegelt — zuerst mit einem Trailerboot, das die Fähre nach Schweden gebracht hat, dann mit einem etwas größeren Boot auf dem Weg zum Götakanal, und dann mit einem noch größeren auf dem Weg von Finnland nach Hause. Immer wollten wir irgendwann einmal mit mehr Zeit diese Gegend erkunden, und immer noch gibt es neue Inseln und Buchten zu entdecken, immer noch ist es aufregend und immer noch ist es einfach großartig mitten in einer Bucht vor Anker zu liegen, nur umgeben von Wasser und Fels und Bäumen, oder am Fels anzulegen und die Insel zu entdecken. Allein sind wir natürlich nicht, selbst in einem kühlen August nicht, aber doch irgendwie außerhalb des Festgefügten. Als würden wir mit dem Wohnwagen einfach stehenbleiben, wo es uns gefällt, nur ist der Wagen ein Boot und wir müssen nach Wind und Wetter Ausschau halten, wenn wir einen Platz für die Nacht wählen.
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56° 38’ 60’’ N,16° 27’ 44’’ E
Es ist an der Zeit, sich auch einmal den Freuden des Segelns zu widmen. Denn wie soll ich es sonst erklären, was und warum es mich jeden Sommer aufs Meer zieht, auf das Boot, das uns so viele Abenteuer beschert hat, aber eben auch Tage wie diesen:
Am Morgen legen wir ab, fahren ganz unspektakulär die ersten Meilen unter Motor, denn unser Ziel ist weit gesteckt und es weht nur wenig. Vorbei an Hanö, der Insel unserer letzten zwei Nächte, geht es hinaus Richtung Kalmarsund. Ein Segel ziehen wir dennoch hoch. Man kann ja nie wissen, wann der versprochene Wind denn kommt, und außerdem liegt das Boot dann auch ruhiger, denn Wellen gibt es schon. Das Boot schwankt.
Abwarten und frühstücken. Logge beobachten. Vier Knoten Wind reichen noch nicht zum Segeln, aber frisch wird es. Nach einer Stunde der nächste Versuch … Wir segeln. Raumshots. Die Segel weit gebläht. Um uns herum nur das Meer, erst grau, dann dunkelblau gekräuselt, am Horizont ein einsames Segel. Kein Land, nirgends. Minuten, Stunden vergehen, rauschen vorbei mit dem Wasser; Gedanken ziehen mit den Wolken.
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48° 12' 2'' N, 16° 22' 39''
Wien ist eine höfliche Stadt. „Seien Sie achtsam. Ein anderer könnte Ihren Platz dringender brauchen als Sie”, tönt es alle fünf Minuten aus den Lautsprechern in der Straßenbahn. Und tatsächlich stehen auch Menschen auf und bieten ihre Plätze an — häufig erkennbar Ausländer, häufig junge Leute. Die älteren Pärchen bleiben eher sitzen und regen sich über Ausländer auf. Leise, aber vernehmbar. Doch sie sind in der Minderheit in der Straßenbahn und in der Stadt der vielen Völker, der Jungen und Alten, der Touristen und Sänger in Gärten, Plätzen, Konzertsälen und Kirchen.
Zu Himmelfahrt sind internationale Amateurchöre zu Gast beim 30. Franz-Schubert-Chorwettbewerb und dazu über tausend Sängerinnen und Sänger aus aller Welt für das Mitsingkonzert des Berliner Rundfunkchors. Nach dem Erfolg dieser Konzerte in Berlin trifft man sich nun alle zwei Jahre auch in einer anderen europäischen Stadt. Die Karten sind schnell ausverkauft.
Ich singe nicht, höchstens zu Weihnachten oder beim Tanzen, da schmettere ich dann schon mal „It's raining men”, in Wien bin ich nur als Sängeranhang. Der Gatte probt, ich erkunde Wien. Schönbrunn im Sonnenschein. Ein Genussmarkt im Stadtpark. Ein Biergarten. Ein Café und noch ein Café. Kellner in schwarzen Anzügen, bei deren Anblick ich sofort das Gefühl bekomme, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Doch eine Melange und eine Waldviertler Mohntorte bekomme ich trotzdem. Mit Schlag.