- Details
52° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E
Le Havre ist ein Film von Aki Kaurismäki aus dem Jahr 2011. In sehr stilisierten Bildern schildert er die Geschichte vom Schuhputzer Marcel Marx, der einem Flüchtlingsjungen aus Afrika hilft, zur Mutter nach London zu kommen. Ein humanistisches Märchen, in dem selbst der strenge Polizist am Ende den Jungen schützt. Film ist keine Realität, sagt Kaurismäki. Bei ihm tragen die Flüchtlinge ihre besten Sachen, als die Polizei den Container aufbricht, sprechen die kleinen Leute in gewählten Worten, sind Kulissen saubere, bis ins Kleinste ausgeklügelte Farbkompositionen.
Was hat das mit Würde zu tun? Sprache und Bilder verleihen den Menschen Würde, geben ihnen zurück, was menschenunwürdige Bedingungen ihnen genommen haben. „Würde ist das, was uns als Menschen ausmacht.” Kaurismäki will nicht Menschen in ihrem Elend zeigen, sondern Menschlichkeit. Die Rückeroberung von Würde durch Sprache, nennt es der Hauptdarsteller.
- Details
52° 30' 12'' N, 13° 19' 11'' E
„Vergebung wird schwer unterschätzt”, sagt ein irischer Priester auf die Frage seiner Tochter nach den Tugenden im Film „Am Sonntag bist du tot”.
Jahreszeitgemäß verlagert sich mein Tun von Draußen auf Drinnen, schaue ich weniger aufs Meer denn auf Bildschirm, Buch und Leinwand, und wie kein anderer Monat eignet sich der November zum Nachsinnen.
Calvary heißt der Film im Original, Golgatha, was mir passender erscheint, denn für mich ist es keine Tragikomödie mit skurrilen irischen Typen, wie deutscher Titel und Trailer suggerieren, sondern vor allem eine Reflexion über Schuld und Vergebung, über Verleugnung und Trauma, über Opfer und Täter. „Mit sieben habe ich zum ersten Mal Samen geschluckt”, sagt ein Mann im Beichtstuhl gleich zu Beginn des Films. Es verschlägt dem Priester die Sprache, er findet keinen Trost für den Mann, der jahrelang von einem katholischen Priester missbraucht wurde. Der Satz mit der Vergebung fällt spät im Film. Am Ende stirbt ein Unschuldiger und ganz zuletzt wird dem Mörder vergeben. Beide Szenen sind ein ein Schock. Im Kinosaal war es totenstill.
- Details
53° 44' 10'' N, 14° 3' 2'' E
Irgendwann ist auch der schönste Sommer zu Ende, irgendwann sind auch die milden Septembertage vorbei und der goldene Oktober zeigt sich nur noch in bunten Herbstblättern. Am Abend wird es früh dunkel, und die Nachttemperaturen bewegen sich im unteren einstelligen Bereich — dann heißt es absegeln, ein letztes Wochenende genießen.
Wir haben Glück, in diesem Jahr scheint die Sonne am ersten Oktoberwochenende, wärmt noch so stark, dass uns sogar Segler mit nacktem Oberkörper begegnen, denen der Wind von hinten Spi und Gennaker bläht. Auf dem Gegenkurs sitzt die Seefrau schon in Ölzeug und Fleece an Deck, und selbst der Kapitän steht im Dreilagenmaterial am Ruder. Aber das Haff zeigt sich von seiner besten Seite, kaum Welle, mäßiger Wind, am Abend so leicht, dass wir ein letztes Mal in diesem Jahr ankern und mit einem Glas Wein in der Hand zuschauen, wie die Sonne am wolkenlosen Himmel sinkt und hinter dem Schattenriss der Bäume verschwindet.
- Details
52° 27' 34'' N, 13° 18' 34'' E
Skandinavische Sommer in Pastell, quirliges Hongkong, neuseeländische Gelassenheit, das klare Türkis der Südsee und die Sonne Kaliforniens, schroffes Irland und sanftes Sri Lanka.
Und nun wieder Berlin, vier Wochen schon, die im Zeitraffer vorbeirauschen. Liegengebliebenes abarbeiten, Wäscheberge dezimieren, ordnen, reparieren und in die Arbeit einsteigen. Sich dem Tempo der Stadt anpassen, vom Inseldasein aufs Festland zurückkehren. 33 Wochen vom Wasser umgeben, an Meeren, Seen und Flüssen. Fremd ist das Vertraute geworden, während die Fremde vertrauter erscheint. Beim Sichten der Fotos, beim Erinnern, beim Erzählen.
33 Wochen, 231 Tage, 5544 Stunden selbst bestimmte Zeit, na ja beinahe, so ein bisschen abhängig doch von Wind und Wellen, Tiefdruckgebieten und tropischen Stürmen, von der Zuverlässigkeit der Fortbewegungsmittel, selbst wenn es sich dabei um den eigenen Körper handelte. Am Anfang das Erstaunen, so viel Zeit, immer noch so viel Zeit, in der Fülle zuhause — am Ende zeitlos. Der Genuss kommt beim Essen, Meile für Meile, Ort für Ort, Erfahrung für Erfahrung.
„Wo war es am schönsten?”, fragt eine Freundin.