52° 31' 7'' N, 13° 21' 53'' E
Mein Lieblingssektion auf der Berlinale sind die Kinder- und Jugendfilme. Nicht nur, weil die meisten dieser Filme nie bei uns ins Kino kommen, und die Berlinale eine fantastische Gelegenheit ist, sie doch zu sehen und zu entdecken, nicht nur, weil die engagierten Filmemacher und Schauspieler sich nach jeder Vorstellung den Fragen des Publikums stellen, und nicht nur, weil eben dieses Publikum mit Feuereifer dabei ist und dabei sein kann bei 2 - 4 € Eintritt, sondern auch, weil es mitreißendes Kino ist.
1 — You’re ugly, too. Ein Kinderfilm aus Irland, eine schwierige Annäherung zwischen Nichte und Onkel in einem Trailerpark in Irlands mittleren Westen. Das Mädchen muss den Tod der Mutter verwinden, der Onkel ist auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen worden, um für sie zu sorgen. Ist es der Richtige dafür? Der Film gibt keine klare Antwort, eine der Stärken neben einer scharfzüngigen kleinen Hauptdarstellerin, einem klugen Blick auf Menschen im Übergang und einem sehr spezifischen Humor. Den Anstoß zum Film gab übrigens die Mutter des Hauptdarstellers, die ihn gerne einmal in einer netten Rolle sehen wollte. Wunderbar.
2 — The beat beneath my feet. Ein Loser mit Brille und falschen Klamotten gewinnt einen Musikwettbewerb. Natürlich ein Märchen, aber die Steine auf dem Weg in Gestalt der steifen Mutter, der schnöseligen Mitschüler und der abweisenden Altrockers bieten viel Witz und immer wieder die Gelegenheit, einen Song als Videoclip zu animieren wie in einem Puppentheater. Leider ist der Soundtrack noch nicht erhältlich, aber ein paar Songs finden sich im Netz. Gute Laune Musik und Film.
3 — Flocken. Wüste Beschimpfungen im Chat und dann der Satz: Schlampen muss man vergewaltigen. Der Gewinner des gläsernen Bären der Jugendjury ist ein harter Film. In einem kleinen schwedischen Dorf zeigt ein Mädchen die Vergewaltigung durch einen Mitschüler an. Obwohl Polizei und Justiz ihr glauben, macht ihr das Dorf das Leben zur Hölle, wird die Familie geschnitten, im Netz und ganz real angegriffen. Ein bedrückendes Bild von Ausgrenzung und Gewalt, bei dem niemand gut wegkommt. Heftig.
4 — The Diary of a Teenage girl. Holy shit, denkt die 15-jährige Minnie, heute hatte ich Sex. Der Gewinner des Preises der Internationalen Jury im Jugendfilm hat verwaschene 70er Farben, eine sehr offene Hauptdarstellerin und ja, jede Menge Sex. San Francisco mit Schlaghosen, Plateausohlen und Drogen. Minnie sucht Liebe, schläft mit dem Freund ihrer Mutter, probiert eine Menge aus, zeichnet ihre Welt, die dann lebendig wird, denn der Film beruht auf einer bekannten Graphic Novel, genauer gesagt einem Roman mit vielen Zeichnungen, von Phoebe Gloeckner. Einen Preis gab es auch beim Sundance Festival. Minies Suche hat das verdient, denn hier ist sie, die starke Frau, von der im Festival überall die Rede war und sie sagt folgenden Satz: „Es geht nicht darum, von jemand anderem geliebt zu werden.” Wahr.