10° 24' 51'' N, 76° 5' 9'' E
Alles klebt, Haut und Haar. sogar die Kleidung. Aber der Kopf ist plötzlich frei und die Hitze angenehm. Wir befinden uns in der Aufbauphase. Routiniert folgen wir der Routine aus Ölmassagen und Reisbeutelklopfen, genießen das Essen und wagen uns hinaus — allein und in Begleitung von Eva-Maria, einer österreichischen Yoga-Lehrerin, die zwei Monate lang im Ayurveda-Team mitarbeitet, begrüßt, übersetzt, Ausflüge begleitet und für jeden ein Ohr und ein Lächeln hat.
Kerala ist nicht Indien, in vielerlei Hinsicht — der Bundesstaat im südwestlichsten Zipfel ist sprachlich homogener, da er 1956 entlang der Sprachgrenzen des Malayalam geschaffen wurde, er ist religiös durchmischter, nur etwas mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung sind Hindus, an ihrer Seite leben fast doppelt so viele Muslime und zehnmal mehr Christen als im Rest des Landes (neben den Tempeln gehört auch der Bible Tower in Thrissur zur Besichtigungstour). Der Bildungsstandard ist höher in Kerala, das Pro-Kopf-Einkommen ebenfalls, das allerdings zum Teil auch von gut ausgebildeten Keralesen in den Golf-Staaten erwirtschaftet wird. So sehen wir auf unsrer Fahrt nach Thrissur neu erbaute Paläste neben den Hütten der Fischer und Bauern. In Kerala selbst sind Landwirtschaft und Fischfang die wichtigsten Einnahmequellen und ein landesweiter Streik legt alles einen Tag lang lahm, weil die Regierung Fischereirechte verkaufen will. Es fahren weder Tuktuks noch Busse noch Taxen, Geschäfte sind geschlossen, Fischerboote liegen am Strand. Kerala ist auch das Land der aktiven Gewerkschaften.
Und dann gibt es natürlich noch den Tourismus, die langen Strände, die Backwaters, die Ayurveda-Resorts. Etwas unheimlich ist das Meer, weil meist grau und trüb, aber warm wie in der Badewanne. Badekleidung tragen nur Touristen, alle anderen gehen angekleidet in die Fluten, in Saris oder langen Oberkleidern und Hosen die Frauen, Männer und Kinder dürfen es legerer angehen, Frauen halten Schultern und Knie bedeckt, auch am Sneehatheram Beach, dem Love Shore. In die Backwaters —1500 km Wasserwege, die von der Küste ins Landesinnere führen —, gelangt man mit ehemaligen Transportbooten. God’s own country lautet der Werbespruch für das Reiseland, grün sind Kokospalmen und Mangroven, ruhig strömt das Wasser, warm fließen Öl und Milch auf unsere Haut. Am Ende der Kur steht ein Milchbad, immer wieder werden die kleinen Kännchen gefüllt und über uns ausgegossen, dann werden wir entlassen in den Alltag.
„Ayurveda ist nicht in erster Linie Heilmethode, sondern eine gesunde und ethische Lebensform”, sagt die Ärztin beim Abschlussgespräch. Heißes Wasser und Currys behalten wir schon mal bei.
Nanni — തനക് യു — danke