Traumstraße, der Sehnsuchtsort vieler Reisender. Dabei wurde sie einst geschaffen, um möglichst schnell chilenische Truppen nach Feuerland zu bringen, denn die chilenischen Diktatoren fürchteten ebenso wie ihre Gegenüber auf der argentinischen Seite stets einen Überfall zwecks Landnahme. Heute ist man offiziell friedlicher gesinnt und an den vielen Pässen der Grenze ist reger Verkehr.
Auf der Carretera sowieso, jedenfalls in den Sommermonaten. Jede Menge Pick-ups, 4x4 Geländewagen, normale Autos, Lastwagen und manchmal auch ein Camper wie wir, der sich über die Schotterstraßen traut, denn nur ein Teil der Straße in den Süden ist gepflastert — jedes Jahr ein größerer — und der Rest ist Ripio, also Schotter in unterschiedlicher Güte. Ganz gut zu fahren, wenn gerade eines der riesigen gelben Monster die Straße geglättet hat oder holprig bis zum Auseinanderbrechen klapprig in ausgefahrenen Kurven.
Wir hüpfen auf unseren Sitzen und mit uns die trampenden Studenten, die wir ein Stück mitnehmen. Iin kleineren und größeren Gruppen stehen sie am Straßenrand, denn der Bus kommt nur einmal am Tag durch. Auch Radfahrer wagen sich an das Auf und Ab der Carretera und Motorräder düsen durch den Staub.
Der wirkliche Traum sind die Nationalparks, die diese Straße umgeben, die Seen und Flüsse, die Berge und Wälder, die hängenden Gletscher und rauchende Vulkane. Immer wieder könnte man anhalten, könnte wandern und schauen. Da heißt es auswählen, um überhaupt voran zu kommen.
Wir fahren von Norden nach Süden, von den verwunschenen, fast unberührten Wäldern des Parque Pumalin zum Strand Santa Barbara, wo wir Rita und Erwin wiedertreffen, die mit uns auf dem Frachter nach Montevideo gefahren sind, und nun vom Süden heraufkommen. Es ist schön, ein paar Tage gemeinsam zu verbringen und heilsam nach den Erlebnissen der letzten Zeit.
Überhaupt ist die Carretera ein Ort der Begegnungen, auf den Campingplätzen und sogar mitten auf der Straße hält plötzlich ein Wagen neben uns und heraus springen Chilenen, die wir am Silvesterabend in Argentinien getroffen haben. Und es ist ein Ort der Gegensätze, einen Tag lang frieren wir an einem wunderschönen See im Regen und am nächsten sitzen wir abends in heißen Thermen und schauen auf sonnige Berggipfel. Regen wettern wir dann wieder gemeinsam mit einer Motorrad-Truppe auf einem rustikal-idyllischen Campingplatz ab und verquatschen einen sonnigen Nachmittag mit Isi und Sven, die wir schon mehrmals getroffen haben, in einem kleinen Café in Coyhaique, dem größten Städtchen im Gebiet. Dann machen wir uns auf zur Fähre über den Lago General Carrera, dem Endpunkt unserer Reise über die Carretera Austral, denn über Sand und Schotter geht es für uns leider nicht weiter.