Positionsmeldung

Nora

Willkommen

Positionsmeldung erzählt von Reisen. Manche führen aufs Meer, manche nur ein paar Schritte vor die Haustür, manche ereignen sich auf Papier, auf Bühne und Leinwand oder virtuell.

Ich freue mich über Begleitung.

 

52° 30' 24'' N, 13° 18' 30'' E

 

 

Der Film nimmt sich Zeit, viel Zeit, um von Sehnsucht zu erzählen, vom Träumen. Vier Stunden zeigt Die andere Heimat von Edgar Reitz in ruhigen Bilder und langen Einstellungen das harte Leben im Hunsrück Mitte des 19. Jahrhunderts. Vier Stunden in der schwarzweißen, engen Welt des Dorfes, in dem nur ab und zu ein Fünkchen Farbe, eine Hoffnung aufscheint, auch die Hoffnung auf ein besseres Leben. Vier Stunden mit vielen Abschieden — der Tod natürlich und Auswanderung ins gelobte Land Amerika. Hunderttausende deutsche „Armutsflüchtlinge” machten sich damals auf nach Südamerika, verließen ihre Heimat, um in der Ferne eine neue zu suchen. Der Film folgt ihnen nicht, wartet mit den Daheimgebliebenen auf Nachricht.

website blog 70Schon lange habe ich nicht mehr in einem Film gewartet, oft ist mir hinterher eher schwindlig von den schnellen Schnitten, bin ich atemlos, weil so viel, so schnell passiert. Doch es ist so gewohnt und auch durchaus gemocht, dass ich mir normalerweise gar keine Gedanken darüber mache, erst die Erfahrung von Langsamkeit führt zu der Frage, wie und wann denn alles so schnell geworden ist?

Zeit ist eine physikalische Größe und beschreibt eine Abfolge von Ereignissen. So weit, so gut. Aber wie kann es dann eine schnellere und eine langsamere Zeit geben? Das ist Menschenwerk. Wir bewerten. Teilen ein in kurz und lang, setzen in Beziehung: 150 Jahre sind ein Klacks, erdgeschichtlich gesehen, können aber darüber entscheiden, ob ich flüchten muss oder gemütlich zu Hause sitzen bleiben kann. Will ich ein bestimmtes Ziel erreichen, wird die Zeit knapp, warte ich, kann sie ganz schön lang werden. Im Großen wie im Kleinen ist Zeit relativ.

Aber nicht nur die Filme sind schneller geworden, auch sonst folgen Ereignisse in immer schnellerem Takt aufeinander, und auch hier fällt mir das besonders nach drei Monaten langsamen Bootslebens auf. Ich fühle mich zu langsam, bin zu langsam, als stünde ich vor einem Paternoster und würde immer die richtige Zeit zum Aufspringen verpassen. Vorbei, vorbei, vorbei, ehe ich überhaupt ansetze.

Baby, you're out of time.

Aber wer hat den Paternoster gebaut? Zeit ist Geld. Zeit muss man effektiv nutzen. Das sind zumindest die Grundpfeiler. Der Takt der Maschinen bestimmt Ketten und Kabinen. Die Suche nach immer mehr Wachstum und Wohlstand treibt den Motor an. Obwohl Paternoster ein eher altmodisches Bild ist und daher schief, denn ein Paternoster, der so schnell fährt wie unser Leben, würde wegen Überlastung auseinanderfliegen.

Aber egal: In dem wunderbaren Dokumentarfilm Speed — auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Florian Opitz werden die komplizierten Zusammenhänge viel genauer untersucht, als ich sie hier beschreiben kann. Vor allem zwei Dinge sind mir daraus in Erinnerung geblieben.

1. Entschleunigung geht nur mit Verzicht auf einen Teil der vielen Möglichkeiten, die sich tagtäglich bieten, und
2. die Anfangssequenz, in der Opitz immer wieder seinen kleinen Sohn zum Weitergehen bewegen will, der aber auf der Straße so viele interessante Dinge entdeckt. Spazierenstehen habe ich das bei meinen Kindern genannt. Reine Zeitverschwendung, die mich manches Mal zum Wahnsinn getrieben hat, und Anschauungsunterricht für ganz im Augenblick sein, was nur ein anderer Ausdruck für Glück ist.

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