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Nach-Osterspaziergang 1
52° 27' 42" N, 13° 18' 36" E
Auf der Suche nach dem verlorenen Frühling
Ja ja, ich weiß, es sind genug Worte über den schrecklichen Winter verloren worden. Doch er kann es einfach nicht lassen, stößt mich auf grauen Himmel, kahle Bäume und Triefnasenkälte, sobald ich einen Fuß vor die Tür setze. Tapfer stemmen sich die Glöckchen im Beet gegen Schnee und mumifizierte Herbstblätter — nur die Vögel singen.
Wenn ich ein Vögelein wäre, flög ich in den Frühling.
So dachten wohl auch meine Eltern und buchten zu Ostern 1971 im Zuge der ersten erschwinglichen Pauschalreisen und befeuert vom sanften Aufflackern eines familiären Wirtschaftswunders vierzehn Tage Teneriffa. Eine Reise auf einen anderen Kontinent, in eine andere Jahreszeit, wo wir bislang höchstens bis Bayern gekommen waren. Ich schlief kaum vor dem frühen Abflug.
Am stärksten sind mir die Farben in Erinnerung, tiefes Blau am Himmel, knallrote Blüten, Grün in allen Schattierungen, durch Zauberhand war der ewige Grauschleier Berlins verschwunden. Mein kleiner Bruder sprang in den Wellen, ich lag lieber im Schatten, las und entdeckte die wunderbare Welt der englischen Sprache, denn meinem dreizehnjährigen Lesehunger waren die mitgenommenen Bücher schon bald zum Opfer gefallen und als Alternative boten sich nur englische Taschenbuchausgaben. Love Story holte ich mir, den Film hatte ich schon gesehen. Ich las und heulte hinter meiner großen Sonnenbrille und in meinem Herzen keimte die große Liebe zum Englischen auf. Ich wollte mehr davon, mehr von den großen Gefühlen, der fremden Welt, selbst wenn ich von den nächsten, dickeren Büchern zunächst nur jedes dritte Wort verstand, und zu Hause im Wörterbuch nachschlagen musste. Was meine Begeisterung nicht minderte, sondern detektivischen Spürsinn entfachte.