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Landgang
18° 5’ 58’’ N, 15° 58’ 16’’ W
Im Hafen von Vigo dürfen wir von Bord. Das ist keinesfalls selbstverständlich. Kreuzfahrtschiffe laufen Häfen an, damit die Passagiere sich den Ort anschauen können, Frachter dagegen laufen Häfen an, um Fracht zu löschen oder zu bunkern. Ob die wenigen Passagiere an Land kommen hängt dabei von vielen Faktoren ab: 1. Zeit der Ankunft (bei Nacht ist ein Landgang nicht möglich). 2. Zeit der Abfahrt ( ist die Liegezeit zu kurz, darf man auch nicht raus). 3. Entfernung des Containerhafens von der Stadt (liegt der Frachthafen zu weit draußen, kann es sein, dass die Liegezeit im Hafen wieder zu kurz für Ausflüge ist).
In Le Havre blieben alle an Bord, in Vigo passt es nun. Nach ein paar Tagen auf See wäre es gut, festen Boden zu spüren und längere Strecken zu laufen, ohne im Kreis zu gehen. Eine Runde auf dem Brückendeck sind für mich ca. 250 Meter, am Tag laufe ich drei Mal die acht Runden. Doch ganz sicher ist die Sache mit Vigo nicht. Erst heißt es, wir können, am Morgen dann, es geht doch nicht, und ein paar Stunden später kommt vom Kapitän persönlich die Ansage: Es geht an Land. Merke: häufiges Nachfragen lohnt sich. Nach den Formalitäten (Fotokopien der Pässe, Listeneintrag, Telefonnummernaustausch wandert unser Trupp durch den Hafen unter den erstaunten Blicken der Ladenden und der Fahrer. Im Hafen läuft niemand außer uns, alle sitzen sicher in ihren Fahrzeugen.
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Southland — Fjordland
46° 39' 38'' S, 169° 6' 11'' E
Sonnenheiße Tage, klirrendkalte Nächte (zum Glück gibt es Fleecedecken in Outdoorläden), wolkenverhangene Berge (Regen oder nicht, das ist hier tagtäglich die Frage). Das einzig Beständige im Süden der Südinsel ist der Wechsel — beim Wetter sowieso, bei der Landschaft zwischen Regenwäldern mit Wasserfällen, schroffen Klippen mit weiten Buchten, endlose Wiesen, auf denen sich weiße Schafe und schwarze Rinder unregelmäßig regelmäßig verteilen, und tief eingeschnittenen Fjorden, durch die der Wind pfeift. Und immer, wenn man denkt, es gönnte nicht Schönes mehr kommen, wartet die nächste Überraschung.
Im Fjordland-Cinema läuft vormittags ein Dokumentarfilm und jeden Abend ein anderer Spielfilm. Wir sehen August Osage County in extrabreiten roten Samtsitzen mit Bedienung am Platz und zusätzlicher Verzehr- und Kommunikationspause in der Filmmitte. Der Streifen ist ein Fest für die Schauspieler, wunderbare Dialoge und vor allem eine großartig böse und gemeine Meryl Streep — and my Oscar goes to her.
Im Fjordland fahren wir Stunden durch menschenleere Gebiete, kaum einmal ein Gehöft hinter dichten, kantig zurechtgestutzten Hecken, dann eine Kurve und das tiefblaue Meer liegt vor uns. 5000 km bis zum Südpol und auch fünftausend bis zum Äquator, in der Porpoise Bay ziehen Hektor-Delfine (die mit der runden Flosse) ihre Jungen groß, nebenan in der Curie Bay tun Gelbaugenpinguine das Gleiche. Am Tage können Glückliche, die kaltes Wasser nicht scheuen, mit Delfinen schwimmen, und in der Dämmerung kommen die Pinguineltern aus dem Meer, um ihre Jungen zu füttern. Da können hinter einem gelben Seil als Absperrung auch Frostbeulen in drei Lagen Wolle zusehen. Große Schilder warnen vor den Seelöwen, jede Menge andere zeigen in Wort und Bild, wie und warum man zu allen drei Gattungen Abstand halten soll. Schutz gefährdeter Tierarten wird großgeschrieben, und man setzt auf Vernunft und Selbstkontrolle.
Einen Tag sitzen wir am Meer und beobachten das entspannte Nebeneinander von Surfern, Schwimmern und Delfinen in den Wellen. Am nächsten Morgen ist die Bucht ungewöhnlich leer und Curie Bay landesweit in den Nachrichten. Zum ersten Mal hat ein Hai an diesem Ort einen Surfer angegriffen und zum Glück nur verletzt.